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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Stock. Walter P. erlitt einen Nervenzusammenbruch und wurde ambulant behandelt. Warum sich Layla-Anne S. aus dem Fenster stürzte, bleibt weiterhin unklar. Anzeichen für ein Fremdverschulden liegen, so die Pressestelle der Polizeidirektion Ost, nicht vor. Da das Mädchen keinerlei Ausweispapiere bei sich trug, konnte die Leiche erst nach Eingang einer Vermisstenmeldung durch die Eltern gegen 20 Uhr 30 identifiziert werden. Die Ermittlungen dauern an.«
    »Verpackt wie ’ne Bonbonniere«, sagte Lisa.
    »Und Blut und Hirn später mit einem Schlauch vom Asphalt gespritzt«, sagte Bentner.
    Sie suchten weiter, blätterten sich durch den September, fütterten die Suche mit Stichwörtern, hatten keinen Erfolg mehr. Also ein Unfall oder Selbstmord, »weggeworfen«, hatte jemand gesagt, an den Bentner jetzt denken musste, einen Mann neben einem Radiator. Er tippte etwas in die Adresszeile, hieb ein wenig zu hart auf die Returntaste. Lisa sah zu ihm hin, streichelte über seinen Arm.
    »Denkst du an Alina? Glaubst du, sie …«
    Er glaubte es nicht, »nein«, erzählte ihr von seinem Besuch in Alinas Wohnung und den Fotoalben.
    »Ihre Mutter?«
    »Denk schon. Und sie hat drei Laptops gekauft, zwei davon waren nicht in ihrer Wohnung. Sie könnte Anna sein, aber dann versteh ich überhaupt nichts mehr.«
    Lisa räusperte sich.
    »Das mit den Laptops … welche Marken?«
    Er nannte sie und Lisa machte »hm«.
    »Alina hat mir einen davon geschenkt. Weil doch meiner kaputt war und ich kein Geld für ’nen neuen hatte. Sei ein gebrauchter, hat sie gesagt. Hab mich schon gewundert, wie neu der aussah. Müssen uns nur umhören, dann finden wir schon ein anderes Mädchen, das jetzt auch einen neuen Lap hat. Und warum bist du jetzt bei Google?«
    Bentner antwortete nicht. Er gab einen Namen ein, Lisa las ihn stirnrunzelnd.
    »Layla-Anne Schneider?«
    Layla-Anne Schneider. Ein Treffer. Facebook. Draufklicken.
    Links in der Ecke die Fotografie eines jungen Mädchens, es lächelte schüchtern, die rotbraunen Haare fielen ihm über die Augen, »süß« nannte man das. Layla-Anne Schneider hatte es in ihrem Leben auf 129 Freunde gebracht, besaß ein Album mit 23 Bildern, der letzte Spruch, der ihr gefallen hatte, lautete »Stolze Mädchen zeigen ihren Charakter und nicht ihre Titten«, der letzte Eintrag an der Pinnwand: »Hurra, ich bin in der Pubertät!«
    »Layla-Anne Schneider?«
    Lisa fragte es noch einmal, diesmal so, dass Bentner antworten musste.
    »Daher wusste es also Claus.«
    Sie blies alle Luft aus sich heraus, hieb mit der Faust auf den Tisch, so wie Bentner vorher mit dem Zeigefinger auf die Returntaste.
    129 Freunde. Nicht überragend, andere besaßen über 1000, 2000. Die meisten gingen zur Helene-Mayer-Oberschule, man könnte jetzt googeln, wer diese Helene Mayer war. Die Straße kannte Bentner, er erinnerte sich an eine Schule dort, nicht an ein Café in der Nähe, aber sicher gab es eins, in dem kleine Mädchen Schokolade tranken und sich kleine Jungs an den Nebentisch setzten.
    Sie klickten sich durch Layla-Anne Schneiders Album. Layla-Anne, die neben einer Freundin in einer großen Kiste hockt, auf der das Logo eines Möbelhauses zu sehen war. Die Freundin hieß Svea, auf dem nächsten Bild hatten sich die beiden ganz klein gemacht, man sah nur noch ihre Rücken in der Kiste, auf einem dritten saßen sie wieder aufrecht, Layla-Anne hielt eine schwarzweiße Katze, die stoisch alles über sich ergehen ließ.
    Layla-Anne posiert im geöffneten Kofferraum eines größeren Autos, eine blaue Strumpfhose an, links der Schatten der Fotografin, vielleicht wieder Svea. Vor einem Garagentor, Layla-Anne in schwarzer Leggins. Zwei Schatten an der Wand, einer hielt einen Fotoapparat vorm Gesicht. Layla-Anne und ein Mädchen namens Julia strecken die Zungen heraus, Layla-Annes Arm nach vorne gestreckt, er hält die Kamera. Layla-Anne schaut auf den See, es ist Herbst, man sieht es an den Bäumen. Sie lächelt dem Fotografen zu.
    »Hör auf«, sagte Lisa. »Entweder heul ich gleich oder ich kotz oder ich schlag hier alles kurz und klein.«
    »Sie muss gefroren haben«, sagte Bentner. »Es waren 14 Grad an dem Tag, es war bedeckt, es hat ein bisschen geregnet. Sie hatte sich nicht mal eine Jacke übergezogen, sie ist so ins Hotel gegangen, wie goldenesBlut es von ihr verlangt hat. Als Comicpüppi.«
    »Und dann? Erwartet sie das Schwein da oben im vierten Stock? Hat sich dort eingemietet? Hätte die Polizei doch ermitteln

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