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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Wand aus klebrigem Tape, schwarz wie das über Lisas Augen.
    Bentner erzählte ihr alles, es war wie Kaffeetratsch im Büro am Vorweihnachtstag, es gab keine Tannenzweige, keine brennenden Kerzen, keine Schokonikoläuse auf dem Schreibtisch.
    »Oh mein Gott«, sagte Lisa nur, dann: »Sollten wir nicht endlich die Polizei einschalten?«
    Eine Frage, die man eben so stellt, obwohl man die Antwort kennt.
    »Immerhin hat dich diese Person noch einmal betäubt und losgebunden. Warum bei mir eigentlich nicht?«
    Eine Frage, die Bentner nicht beantworten konnte oder vielleicht doch: »Weil ich dich finden sollte.«
    Lisa nickte.
    »Hast du den Schlüsseldienst angerufen? Brauchst auch ein neues Schloss.«
    Nein, hatte er nicht. Verfluchte seine Unvorsichtigkeit, nicht nur bei den Schlüsseln, überhaupt.
    »Jeder und jede hat hier Zugriff auf die Datenbanken. Jeder und jede einen Grund …«
    »Nein«, unterbrach ihn Lisa und griff nach ihrer Kaffeetasse. Wartete, spülte sich den Mund mit dem Getränk aus, schluckte, sagte: »Gib mir eine Zigarette, bitte«, und dann rauchten sie schweigend, das Fenster geschlossen, der Himmel davor von Weiß durchzogenes Blau, im Süden ein grauer Fleck, der immer größer wurde.
    »Nein«, sagte Lisa noch einmal, »nicht jeder hat einen Grund. Einer oder eine. Aber es ergibt keinen Sinn. Diese Person kann nicht goldenesBlut sein, warum ist er hinter uns her – er oder sie, richtig – was hat er oder sie von uns zu befürchten? Und warum tötet er uns nicht? Warum hat er oder sie Claus getötet? Wir wissen, dass es zwei Annas gibt und nur eine Person dahintersteckt. Wieso gehen wir davon aus, diese Person sei der Mörder von Claus? Vielleicht gibt es zwei Personen. Vielleicht …«
    »… ist sie Anna.«
    »Und wieso kannst du nicht rausfinden, wer auf die Datenbanken zugreift? Geht das nicht?«
    Ging natürlich. Wenn man es so angelegt hätte. Hatte Bentner nicht. Ein schweres Versäumnis, aber nicht mehr zu ändern. Die Person war nicht dumm, sie hatte, was sie brauchte, sie mied die Datenbanken jetzt.
    »Und doch hat diese Person einen guten Grund. Der steht im Zusammenhang mit dem, was goldenesBlut aus Pixity vertrieben hat. Und mit dem, was Claus herausfand.«
    »Das wohl«, sagte Lisa. »Aber warum nur wir beide? Warum nicht auch Alina und Hans-Jürgen und Michael?«
    »Und wer sagt dir, dass die Person nicht auch meine lieben Mitgesellschafter heimgesucht hat? Die ebenfalls schweigen? So wie wir?«
    »Das hieße aber, diese Person hat keinen blassen Schimmer, wer …«
    Sie nahm sich noch eine Zigarette, schüttelte den Kopf.
    »Ich raff das nicht. Warum, warum, warum?«
    »Sucht diese Person überhaupt noch jemanden bestimmten? Oder will sie uns alle vernichten? Pixity?«
    So dahingemurmelt hatte Bentner das, seine Aktentasche hochgenommen und den Papierausdruck jenes Dialogs auf frauentalk.de herausgesucht. Er hielt ihn Lisa hin, die nahm und las.
    »Pervers«, sagte sie. »Da will dich jemand bloßstellen. Fertigmachen. Und wer ist diese Elegancy?«
    »Eine einsame Frau«, sagte Bentner. »Oder ein einsamer Mann, der einen Mann sucht. Wer weiß.«
    Nichts wusste man mehr. Lisa seufzte, zerdrückte die Zigarette im Aschenbecher, sah dem letzten aufsteigenden Qualm nach, der sich in Richtung Fenster legte und, bevor er das erreichte, auflöste. Du hättest ihr wenigstens ein Küsschen geben sollen. Wäre doch obligatorisch, nachdem …
    Lisa sah ihn an, dachte etwas Ähnliches. Sie beugte sich vor, er beugte sich vor, die Lippen berührten sich, er schmeckte Lippenstift, sie roch Duschgel.
    Bentner hatte den Rechner hochgefahren.
    »22. September voriges Jahr. Du weißt, was an diesem Tag geschehen ist?«
    »Nee«, sagte Lisa und dann: »Ach so, ja. Der letzte Tag von goldenesBlut in Pixity.«
    »Unter diesem Namen«, verbesserte Bentner. »Anna glaubt nicht, dass goldenesBlut ganz aus Pixity verschwunden ist. Sie hat ihn gesucht und gefunden. Dennoch sucht sie weiter. Warum? Weil sie mehr über ihn erfahren will, bevor sie sich mit ihm trifft. Oder weil sie gar nicht glaubt, ihn wirklich zu treffen.«
    »Hm«, machte Lisa.
    »Aber egal. 22. September voriges Jahr. Annahme: Etwas ist passiert. Hoffnung: Es ist hier passiert, in dieser Stadt, in dieser Gegend. Weitere Hoffnung: Die Zeitung hat darüber berichtet.«
    Das Logo der Zeitung. Lisa rückte mit ihrem Stuhl näher heran.
    »Suchen wir zwischen dem 20. und dem 24. September. Wir wissen nicht, ob goldenesBlut sich

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