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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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schwärzer, glänzend, was die billige Optik des Handys heillos überforderte.
    Jetzt mochte sie in legerer Kluft bei den glühenden Heizungsrippen hocken und mit zwei Fingern die Tastatur bearbeiten, die Vorstellungskraft auf volles Volumen hochgefahren, Rick, 16, nett sieht er aus, keiner von diesen Hirnis, die einen gleich fragen, ob man »sb« macht, und wahrscheinlich hatte sie zuerst darüber gerätselt, warum all diese Penner fragten, ob man »Selbstbedienung« mache, ja wo denn, beim Discounter oder was? Und dann hatte sie eine andere, Erfahrenere aufgeklärt, vielleicht Layla-Anne, Dummerchen du, sb heißt gar nicht Selbstbedienung, sondern … und sie hatten gekichert, sich gegenseitig taxiert und für einen Moment einen ungeheuerlichen Gedanken gehabt, aber dann diese scheiß Englischarbeit morgen, komm, wir hören uns noch mal ab.

    Nach einigen weiteren jeps und cools hatte Svea den Chat beendet und Bentner mit der Frage, ob er gerade mit Anna gesprochen hatte oder nicht, alleine gelassen. Er redete mit dem Bild des Mädchens, sah in die unbeweglichen Augen. Wenn du Anna bist, dann weißt du auch, wer ich bin. Gibt nicht viele 16-jährige Ricks in der Gegend. Hast dir nichts anmerken lassen, Schatz. Kompliment.
    Das Bild hatte ihm keine Antwort gegeben. Wie Svea schrieb, hatte ebenso wenig erhellt, wer sie war. Man müsste das Ganze analysieren, vergleichende Linguistik oder was, Bentner wusste es nicht, dafür hatte er kein Talent. Er kam zurück in die Wohnung, es war schon nach drei. Er nahm seine Wagenschlüssel, zog die Hausjacke aus und den warmen Mantel an. Er trat ins Freie, eine beinahe menschenleere Zone jetzt, wo die Geschäfte geschlossen waren und die Vorbereitungen für die Bescherung begonnen hatten.
    Durch die Stadt fahren, aus der Stadt hinausfahren. An der Autobahnauffahrt dachte Bentner an den vollen Tank, seine Kreditkarte. Keine Ahnung, wie weit es bis nach Brandenburg war. Er fuhr an der Auffahrt vorbei.
    »Warum haben Sie Ihre Tochter Layla-Anne genannt?«
    Die Frage überraschte ihn. Er ballte die ausgestreckte Hand zu einer Faust, zog den Arm an die Brust, ließ die Faust an ihr herabgleiten, bis sie neben dem Körper baumelte. Schneider hatte auf dem Stuhl neben seinem Häuschen gesessen und dem Besucher entgegengesehen. Den Radiator zur Rechten, aber der war kalt, wie Bentner registrierte.
    »Wie kommen Sie jetzt da drauf?«
    Bentner ging an Schneider vorbei und öffnete die Tür. Er hatte keine Lust mehr auf Geplänkel. Das Innere des Hauses war ein einziger großer Raum, die Küchenecke mit einem braunen Vorhang abgetrennt, der jetzt halb zurückgezogen war. Kein schmutziges Geschirr, alles akkurat auf Regalen geordnet. Das Heim eines Pedanten. Die Möbel waren ein ästhetisches Sammelsurium; das Bett ein mattschwarzes Metallgestell mit glattgezogener Tagesdecke. Der Beistelltisch aus massivem Holz, eine grünliche Lampe darauf, Jugendstilimitat. Es gab einen großen Kleiderschrank, dessen Maserung nach Furnier aussah, einen hellrosa Sessel, zwei Stühle mit den Lehnen vorschriftsmäßig an der Wand, unter einer gleichmäßigen Reihe schwarzgerahmter Fotografien, mit der Wasserwaage gehängt, als befände man sich in einer Ausstellung.
    Auf dem Boden ein dunkelroter, beinahe raumgroßer Teppich, gute Qualität, das sah man. Und in der linken Ecke gleich neben der Tür zum Garten ein dezent geschmückter Weihnachtsbaum, darunter ein hübsch eingepacktes Geschenk, geschätzte 40 auf 40 auf 60 mit gelbgoldener Schleife. Nirgendwo ein Anzeichen von Unordnung, nirgendwo – da musste man nicht groß kontrollieren –
die Spur eines Stäubchens.
    »Was bekommt Layla-Anne dieses Jahr?« Bentner wies auf das Geschenk.
    »Nichts Besonderes«, sagte Schneider. »Ein Paar neue Inliner und einen Gutschein für einen Sturzhelm.« Er lachte kurz. »Ich hab mich für keinen entscheiden können. Sie wissen ja, wie die Mädchen sind. Die Frauen überhaupt, na ja. Da muss der Sturzhelm zur Handtasche passen und die zu den Socken und die zur Haarfarbe und die wechselt sowieso immer. Soll sie sich selbst aussuchen.«
    Bentner nahm die beiden Stühle von der Wand, stellte sie in die Zimmermitte, setzte sich auf den einen, wies auf den anderen. Schneider blieb stehen, rührte sich nicht.
    »Und der Name?«, fragte Bentner noch einmal.
    »Sie werden lachen, darüber haben meine Frau und ich uns später beinahe gestritten. Wie es zu dem Namen gekommen ist. Sie behauptet, Layla wegen diesem Lied von

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