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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Clapton, kennen Sie bestimmt. Und Anne nach irgendeiner Großmutter. Ich bin sicher, wir sind eher zufällig auf Layla gekommen, der Name gefiel uns eben. Aber klingt orientalisch, nicht? So islamisch. Deshalb Anne. Bisschen was Abendländisches.«
    »Seltener Name.«
    »Ja.«
    »Unverwechselbar.«
    »Genau.«
    »Wenn du sagst, du heißt Layla-Anne und bist bei Facebook oder anderswo, dann findet man dich.«
    »Hören Sie auf.«
    Bentner hörte auf. Er rückte seinen Stuhl zurecht, saß jetzt vor der Bildergalerie, dreizehn Mal Layla-Anne, von der Wiege bis zur Bahre, das fiel Bentner dazu ein. Das arglos lächelnde Baby und die verträumte Dreizehnjährige, jedes Jahr dazwischen ein Porträt, jedes Jahr dazwischen sinnlos.
    »Wissen Sie, was ich mit dem Geschenk machen werde? In den Müll werfen. Zusammen mit dem Scheißbaum. Hab ich schon mit ihrem Geburtstagsgeschenk gemacht. Eine teure Badelotion. Sie mochte das so sehr. Gut riechen. Alles in den Müll. So wie sie selber.«
    Er wollte hier raus. Oder wenigstens, dass ihm Schneider ein Messer zwischen die Rippen jagte. Ich habe Ihr Kind getötet, werter Herr. Nicht mit Absicht, aber ich war’s. Wollen Sie mich gefälligst umbringen? Oder mir ins Gesicht spucken? Soll ich anfangen zu heulen?
    Schneider bewegte sich jetzt. Machte ein paar Schritte, bemerkte dann den Stuhl, ging auf ihn zu, blieb stehen, wandte sich zur Küche, sagte: »Kaffee. Warten Sie, ich hab noch«, hielt sich am Vorhang fest, ganz kurz nur, riss sich zusammen, holte zwei Pötte mit Kaffee und eine Flasche Schnaps, halb voll, halb leer.
    »Das ist das einzig Spannende in meinem Leben, Herr Bentner. Den Spiegel zu schaffen, wissen Sie. Genau so viel intus zu haben, dass ich zwei kleine Mädchen sehe. Ein lebendiges und ein totes. Das gleicht sich dann aus, das ist ein wunderbares Nichts. Zwei kleine Mädchen im Kopf. Eins wächst heran und das andere verrottet. Aber ist nicht leicht, klar. Sie dürfen nicht zu viel trinken, sonst haben Sie nur das lebendige Mädchen, und nicht zu wenig, sonst haben Sie nur das tote. Immer genau wissen, wann Sie nachkippen müssen.«
    Er trank einen großen Schluck aus seiner Tasse und füllte sie mit Schnaps auf.
    »Pur trinken kann ich den nicht. Immer mit Kaffee. Aber geht schon. Ich war mal Architekt, was meinen Sie, was man da Kaffee trinkt.«
    Bentner hörte nicht zu. Er war anderswo, in einem Raum, in dem es morgens nach Elektronik roch, nach erhitztem Plastik, aber das roch man längst nicht mehr. Er tippte Code in einen Editor, er hatte die Zeit vergessen, war euphorisch, hatte Angst vor einer Fehlermeldung, spürte das Kribbeln im Bauch beim Test, spürte ein anderes Kribbeln, wenn der Test gelang. Er arbeitete an einer Todesmaschine, während sein Opfer in der Schule saß und Mathe büffelte, sich fragte, wozu es diesen Mist im Leben würde gebrauchen können, und Recht hatte, es brauchte diesen Mist nicht, weil Nils Bentner gerade seinen Tod vorbereitete. Oder das Mädchen saß zu Hause vor dem Rechner und spürte ihren Körper, so wie man in diesem Alter eben seinen Körper spürt, »hi«, sagte einer, den sie nicht sah, ein Junge, der mindestens so nervös war wie sie selbst.
    Es war kalt im Zimmer, doch Bentner fror nicht. Schweiß lief ihm über den Rücken, weder heiß noch kalt, nur unangenehm klebrig. Der Radiator stand unter dem Vordach, es schien Schneiders einzige Heizquelle zu sein. So hockten sie auf den Stühlen, vorgebeugt, die Unterarme auf den Oberschenkeln, mit Kaffeetassen, die von einer Hand in die andere wechselten. Sie schwiegen eine Weile und waren in Layla-Annes Bilder getaucht.
    »Und niemand weiß warum?« Bentner hörte seiner Stimme nach. Er erwartete keine Antwort. Schneider stöhnte auf.
    »Warum, warum, warum. Wir haben ihre Freunde befragt, die Polizei hat es auch getan. Wir haben sogar gehofft, es könnte ein Unfall gewesen sein, ja, wir haben sogar gehofft, es könnte ein Mord gewesen sein. Stellen Sie sich das vor. Ein paar Monate später ist eine Freundin unserer Tochter gekommen, hat herumgedruckst. Hat schließlich erzählt, Layla-Anne wäre erpresst worden. Mit einem Foto.«
    »Ein Junge?«
    »Ein Junge. Hat sie gesagt. Aber auch nichts Genaues gewusst.«
    »Und der Junge?«
    »Ein Junge halt. Vielleicht aus ihrer Klasse, ihrer Schule. Wir haben der Polizei nichts erzählt. Wir waren längst in dem Zustand, wo uns das nicht mehr interessiert hat. Schwer zu verstehen. Aber es war so.«
    »Keinen

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