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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Namen?«
    Schneider schnaufte, trank einen großen Schluck, füllte die Tasse sofort aus der Schnapsflasche nach.
    »Goldenes Blut. Ich weiß nicht, was das für ein Name ist. Ob man sich auf dem Handy so anmelden kann, wenn man jemandem simmst oder ein Foto schickt. Hab da wirklich keine Ahnung. Das Mädchen wusste auch nichts sonst.«
    »Was für ein Mädchen? Svea?«
    Schneider sah hoch, zu Bentner hin.
    »Ich frage Sie nicht, woher Sie das alles wissen und warum Sie das alles wissen wollen. Es ist mir egal. Aber nein, nicht Svea. Irgendeine andere. Fragen Sie meine Frau. Nein, fragen Sie sie nicht.«
    »Und das haben Sie meinem Kollegen erzählt? Weidenfeld?«
    Schneider nickte.
    »Zwei Männer unter einem Vordach. Irgendwie sediert, sagt man doch so, oder? Ich in meinem Balancezustand, ein totes Mädchen, ein lebendiges Mädchen. Ihr Kollege nach einem erotischen Abenteuer oder was immer das gewesen sein soll mit seinen jungen Dingern, also unter Befriedigung stellt man sich was anderes vor. Wir schwiegen, wir tranken, wir haben den Idioten zugeguckt, die mit ihren Stöckchen vorbeigelaufen sind, oder den Idioten, die zu ihren Häuschen gefahren sind. Und dann beginnt einer von uns beiden zu erzählen und der andere hört zu. Und dann schweigt der, der erzählt hat, und hört zu, wie der andere erzählt, der bisher zugehört hat. So ist das. So war das.«
    »Hat Weidenfeld irgendetwas gesagt, als Sie den Namen goldenesBlut genannt haben? Eine besondere Reaktion?«
    »Nein«, sagte Schneider. »Jedenfalls ist es mir nicht aufgefallen. Kennen Sie den Namen?«
    »Ja.«
    »Und den Jungen dahinter?«
    »Nein. Aber es ist kein Junge.«
    »Hm.«
    Es interessierte ihn wirklich nicht und Bentner verstand es. Das war die wirkliche Welt.
    »Meine Ehe war vorher schon kaputt. Okay. Nach Laylas Tod bin ich hierher gezogen. Sauberer Schnitt. Meine Frau braucht mein Geld nicht, sie braucht meine Trauer nicht, sie hat ihre eigene. Ich verlebe mein Erspartes und wenn ich keines mehr habe, dann werde ich eben aufhören zu leben. Ganz einfach.«
    Er stand auf, sein Kaffeebecher war leer. Ging hinter den Vorhang, schenkte sich neuen ein, kam zurück, setzte sich, trank, füllte mit Schnaps auf, trank.
    »Tun Sie mir einen Gefallen«, sagte er dann, »wenn Sie den finden, der sich goldenes Blut nennt, dann tun Sie ihm nichts. Zeigen Sie ihn nicht an. Lassen Sie ihn einfach so weiterleben. Möglichst lange. Er wird nichts vergessen. Es ist die härteste Strafe. Außer der, die wir abbüßen.«
    Bentner versprach es.

    Es gab keinen Kartoffelsalat mit Backfisch. Auf der Heimfahrt hielt Bentner an einem Imbiss, kaufte Bratwurst und Pommes zum Mitnehmen, »to go?«, fragte die Verkäuferin, »nein, lieber zum Mitnehmen«, scherzte Bentner. Die Frau nickte bloß und riss Silberfolie von der Rolle.
    Später dann auf dem Balkon. Es war Bescherungszeit, genau 18 Uhr, Bentner lauschte, aber er hörte kein Glöckchen klingeln. Wie auch. Jetzt fuhr wirklich kein Auto mehr, durch die Jalousien drang etwas Licht von Christbäumen, »erwartungsvoll leuchtende Kinderaugen« – irgendwie war diese Formulierung aufgetaucht und ließ sich nur schwer wieder vertreiben, so glitschig war sie. Es mochte knapp über null Grad sein, kein Schnee in Sicht, es könne regnen, war gemeldet worden. Mit dem bedauernden Tonfall, der dem großen meteorologischen Spielverderber galt, der einem die banalsten Illusionen raubte. Alles schön weiß zugedeckt, um zehn dann geht man gemeinsam zur Christmette, man tritt in den Schnee wie bei einer permanenten Entjungferung.
    Bentner aß seine Wurst, seine Pommes, alles war trotz der Silberfolie kalt geworden und schmeckte noch schlechter als sonst. Er hatte sich überlegt, Heiligabend im   Taco’s   abzusitzen, unter den anderen einsamen Seelen, den Gedanken aber sofort wieder verworfen.
    Also die Wände anstarren, so wie es Lisa jetzt wohl tat. Oder sie anrufen, einladen, gemeinsam die Wände anstarren? Doch noch geschäftig werden und einen Kartoffelsalat – nun ja – zaubern? Würstchen waren genug im Kühlschrank, vier Stück, kein Problem, auf den Fisch hatte er keine Lust. Aber auch keine gute Idee.
    Pixity. Die wirklichen Kinder – wieder dachte Bentner an »erwartungsvoll leuchtende Kinderaugen« – spielten gerade mit den Geschenken, die sie vor wenigen Minuten ausgepackt hatten, in Pixity tummelten sich die üblichen Fakes, auch das notorische Fakeduo strich eine Weile durch die Stadt, verschwand aber

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