Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
Wilma festgestellt hatte, dass die Lage zwar ernst, aber nicht wirklich hoffnungslos war, gewann ihr Eigennutz wieder die Oberhand. »Wer macht mir jetzt meine Frisur?«
»Tja, genau das ist das Problem«, mischte sich jetzt auch Gregorij ein, der Senior im Laden. Ein exzeptioneller Virtuose des Kammes und der Schere, der angeblich sogar einmal Rudi Nurejew vor einem Auftritt im Kirow-Theater façonniert hatte. Es hatte Schwanensee gegeben. Bei dem Gedanken daran wurde dem wilden Kasachen heute noch ganz warm ums Herz.
»Da wir heute völlig ausgebucht sind, wir sind einer der wenigen Salons, die auch am Feiertag offen haben, können wir nur versuchen, die Termine, die Antonio gehabt hätte, irgendwie …«, er suchte nach einem Ausdruck, der seiner sanften Mentalität eher entsprach, fand aber keinen, »… dazwischenzuquetschen. Wir bedauern, aber …«
Nun gut, das war’s, dachte Wilma. Sie hatte keinesfalls die Absicht, sich irgendwo von irgendwem ›dazwischenquetschen‹ zu lassen. Auch nicht an einem Tag wie diesem. Dann musste sie sich halt selbst die Haare machen. Andererseits, wer konnte schon wissen, ob es sich dabei nicht um ein Zeichen handelte. Irgendjemand in diesem unendlichen Universum, der es – hoffentlich – gut mit ihr meinte, gab ihr vielleicht auf diese Art zu verstehen, sich das Ganze noch einmal zu überlegen.
Also wirklich, Wilma, schalt sie sich. Was sollte dieser dumme Gedanke? Für einen Rückzieher war es jetzt aber wirklich zu spät. Rund 60 geladene Gäste bei der Trauung und dem nachfolgenden Empfang im Bezirksmuseum, übrigens typisch für Mario, als ob das Magistratische Bezirksamt nicht völlig gereicht hätte. Obwohl, für das Sekttrinken nachher war die Villa Wertheimstein wirklich die bessere Adresse.
Und abends nochmals 36 Personen zu dem gesetzten Essen in dem neuen Hotel am Kahlenberg. Wilma war schon neugierig, ob der himmlische Ruf, den die Gastrokritiker über den jüngsten ›Star am Küchenhimmel über Wien‹ verbreiteten, auch wirklich zutraf.
Ihre Eltern wussten noch immer nichts von ihrem Glück. Sicher rechneten die beiden, die zumindest in den ersten 15 Jahren des schlampigen Verhältnisses ihrer Tochter mit diesem Palinski um nichts mehr gebetet hatten, als um die Legitimierung dieses ›Ärgernisses‹, mit allem anderen, nur nicht mehr mit einer Heirat ihrer Kleinen. Na, die würden Augen machen, wenn sie mit ihnen nicht wie vorgegeben zum Kaffee im Sacher, sondern zum ›Ja‹ im Bezirksmuseum gehen würde. Obwohl …
Irgendwie missfiel Wilma dieser bis ins Letzte geplante Tag. Wie ihr Mario heute Morgen beim Frühstück eingeschärft hatte, an dies zu denken und bloß das nicht zu vergessen und vor allem ja nicht zu spät zu kommen, da war sie einen Moment lang nahe daran gewesen, alles hinzuschmeißen.
Wozu das alles eigentlich? Würde ihr Mann heute Abend ein besserer Liebhaber sein als ihr Lebensgefährte vergangene Nacht? Wohl kaum. Der Gedanke an dieses Zusammensein zauberte ihr noch jetzt ein wunderschönes Lächeln ins Gesicht. Bei 27 gemeinsamen Jahren war die gestrige Nacht schon sensationell gewesen. Also wirklich.
Wilma lächelte noch immer, als sie beschloss, nichts zu überstürzen und als Erstes einmal einen Kaffee trinken zu gehen.
*
Fast schien es, als ob sich eine Art freundschaftliches Verhältnis zwischen der Verdächtigten Sanders und der Polizistin Wallner entwickelt hätte. Aber Franka war auf der Hut. Als eine für ihr relativ jugendliches Alter sehr erfahrene Kriminalistin wusste sie, dass manche Menschen bewusst oder unbewusst versuchten, die Verhör führende Person für sich einzunehmen.
Die Überlegungen der Oberinspektorin wurden durch das Klingeln des Telefons unterbrochen. »Servus«, meinte sie, nachdem sie den Hörer abgenommen hatte. »Na, schon wieder fit? Was kann ich für dich tun?«
Als Reaktion auf des Anrufers Frage wollte Franka von Marika wissen, ob ihr Vater ein Mobiltelefon gehabt hatte. Die junge Frau nickte und lachte boshaft: »Mit dem Handy hat er immer sein Liebesgeflüster mit dem Weib geführt und geglaubt, ich kenn die Nummer nicht. Dass ich nicht lache.« Dann gab sie Franka auch diese bereitwillig bekannt.
»Hast du das mitbekommen?«, wollte die Oberinspektorin von ihrem Gesprächspartner wissen. Offenbar ja, denn danach beendete sie ohne jedes weitere Wort das Gespräch.
Wo waren sie bloß stehen geblieben, als sie das Telefonat angenommen hatte? Ach ja, bei den
Weitere Kostenlose Bücher