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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
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Aufmerksamkeit wieder zurück zu der Kreatur. Den Blick starr auf das Fenster ihres Vaters geheftet, griente das Wesen. Der Mund glühte ebenso wie die Augen mit einem fast körperlichen Licht, das sich gleich einem weißen, milchigen Gas über seine Lippen ergoss. Lachte es?
    Gem kämpfte sich auf die Beine. Falls ihr Vater zu Hause war, würde er sie beschützen können. Sie machte kehrt und rannte durch den Garten zurück; sie wusste nicht, ob das Monster sie jagte, aber wagte es nicht, sich umzudrehen und nachzuschauen. Sie schaffte es zur Treppe, doch ihre Socken waren völlig durchgeweicht, sodass sie gegen das abgeschabte Holz der Stufen klatschten. Sie fühlten sich schwer an und bremsten ihr Fortkommen.
    Die Küchentür, deren Feder schon seit Langem kaputt und bislang noch nicht ersetzt worden war, stand nach ihrem übereilten Aufbruch offen. Sie schnappte nach dem Knauf, als das Monster mit einem widerlichen Platschen auf dem Geländer neben ihr aufkam. Es musste aus dem Gras gesprungen sein, um ihr den Weg abzuschneiden. Gem kreischte geräuschlos, rannte ins Haus und schloss die Fliegengittertür hinter sich. Trotzdem hörte sie noch immer seine nassen Schritte auf dem Küchenlinoleum. Sie lief ins Wohnzimmer, an der tickenden Standuhr vorbei und die Treppe hinauf.
    Das Dämonen-Ding blitzte am Rande von Gems Sichtfeld auf und hielt mit ihr Schritt. Es wartete auf den richtigen Zeitpunkt, um zu springen. Sie würde es nicht schaffen. Verzweifelt hielt Gem inne, machte kehrt und trat einfach mit dem linken Fuß aus.
    Das Monster war nicht da. Sie drehte sich um und sah, dass es bereits auf der obersten Stufe kauerte und über den kleinen Flur in Richtung der Dachbodentreppe glotzte. Es öffnete sein widerliches Maul und zischte: »Daddy.« Mit einem Kichern verschwand es außer Sicht.
    Daddy! , wiederholte Gem lautlos und folgte anschließend der Kreatur. Die letzte Stufe noch und dann nach rechts. Das Ding hielt sich nicht länger hier auf, es bewegte sich viel zu schnell. Sie erreichte den Aufgang zum Speicher und raste nach oben, immer zwei der mit Teppich bedeckten Stufen auf einmal nehmend.
    Dad, pass auf!
    »Roger«, sagte Jim Davidson in das große Silbermikrofon. »Zwanzig-Zwei-Neunzehn hier, östlicher Standard. Wie ist das Wetter bei euch da drüben? Over.«
    Er schien nicht zu bemerken, dass ein finsteres, rötlich gefärbtes Monster auf die kurze Lehne seines Stuhls geklettert war, das Jim gemächlich über sein langes, ergrauendes Haar strich und mit dessen Pferdeschwanz spielte. Gems Vater zuckte nicht einmal.
    Lass ihn in Ruhe!
    »Kalt«, krächzte eine Stimme durch das Knistern des Lautsprechers. »Nur fünf Grad heute Morgen. Over.« Seinem starken Akzent nach zu urteilen, musste der Besitzer der Stimme aus Russland kommen, vielleicht auch Grönland, sprach er doch offensichtlich von Celsius anstatt von Fahrenheit.
    Dad?
    »Er gehört mir«, flüsterte das Monster mit seiner dämonischen, gutturalen Stimme, als ihr Vater erneut die Sprechtaste drückte. Es hörte nicht auf, das Haar des Mannes zu streicheln und lehnte seinen abscheulichen, feuchten Leib gegen ihn. »Sie gehören alle mir.« Seine freie Hand beschrieb einen weiten Bogen durch den Raum.
    Irgendwie verstand das Mädchen, dass die Geste den Rest ihrer Familie einbezog.
    Ihr Vater richtete sich auf, drehte den Kopf und sah sie direkt an. »Gem?«
    Gem lachte und lief auf ihn zu. Ja, Daddy, ich bin’s!
    »Gem?«, wiederholte er lauter. Da sie soeben den Raum offensichtlich durchquert hatte, musste sie erkennen, dass er nicht sie angesehen hatte, sondern zum Treppenaufgang blickte. Sie zögerte.
    Jim Davidson erhielt keine Antwort.
    Los, sieh mich, Daddy! Such mich!
    Der Dämon flüsterte etwas in sein Ohr. Jim seufzte und wandte sich zum Mikrofon zurück.
    Los, sieh mich, Daddy! , rief sie abermals und lief los, um die Entfernung zwischen ihnen zu überwinden.
    Urplötzlich wuchs der Dämon auf seine doppelte Größe an, sprang vom Stuhl herunter und stellte sich ihr in den Weg. Dann barst er auf. Weiße, knochengleiche Stäbe, deren Enden sich zu nadeldünnen Spitzen verjüngten, durchbrachen seine Haut. Die Kuppen seiner knorrigen Finger rissen auf, und lange Klingen aus Gebein wölbten sich daraus hervor.
    Wären die Unterseiten ihrer Socken nicht so nass gewesen, wäre Gem ungebremst in all das Ungemach hineingerutscht. So schlitterte sie nur wenige Zentimeter vorwärts.
    »Komm noch etwas näher, Zuckerpüppchen, und ich

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