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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
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sprachen und bisweilen zusammen lachten, um sich später drinnen den Dingen zu widmen, mit denen man sich eben so beschäftigte.
    In diesen voyeuristischen Augenblicken hatte Gem sowohl einen Schmerz in Brust und Bauch als auch das Bedürfnis, auf Zehenspitzen hinaus nach nebenan zu schleichen, empfunden. Kann ich reinkommen? , hätte sie fragen wollen. Gem hatte überlegt, ob sie daraufhin vielleicht ignoriert oder mit Hunderten von gastfreundlichen Umarmungen überschüttet worden wäre.
    Allerdings wurde dieser Plan jedes Mal von der Überlegung, dass sie dann das Wohnzimmer mitsamt ihrer Familie hätte durchqueren müssen, zerschlagen, bevor er sich zu mehr als einem Tagtraum entwickelte.
    Nun, da sie in der Stille dieser nicht-existenten Kirche saß, begann Gem auch zu verstehen, warum. Sie war an den Glauben – oder besser gesagt, dessen Fehlen – ihrer Familie gebunden. Soweit sie sich erinnern konnte, hatten ihre Eltern nie etwas unverhohlen Schlechtes über die Kirche gesagt. Nicht wirklich. Einmal vielleicht.
    »Der Ort ist nicht so heilig, wie sie es die Leute gern glauben machen«, hattemit einem leisen Schmunzeln einst ihre Mutter dies so, oder so ähnlich, verlauten lassen. Sie hatte damit auf Eliots übliche Beschwerde am Sonntagmorgen reagiert, dass ›die Singende Jesus-Gefolgschaft‹ ihn aufgeweckt hatten. Er benutzte zu jener Zeit ständig Begriffe wie ›Gefolgschaft‹; er war zu sehr von Der Herr der Ringe und Dungeons and Dragonsbeeinflusst gewesen. Eigentlich war er das noch immer. Nicht genug, dass Eliot viel von Moms Aussehen geerbt hatte – so wie Gem eher der väterlichen Seite der Familie ähnelte –, teilten die beiden ein weiteres und manchmal wirklich nerviges Merkmal, nämlich dass sie in Rätseln sprachen oder mit Floskeln, die nie gänzlich Sinn ergaben. Gem vermutete, dass auch sie einige Seltsamkeiten von Deanna Davidson übernommen hatte, aber wenigstens konnte sie von sich behaupten, gleichermaßen bodenständige Attribute ihres Dads in sich selbst wiederzufinden. Wenigstens mochte sie dies gern glauben.
    An dem Morgen, als Eliot die Bemerkung mit der ›Jesus-Gefolgschaft‹ fallen ließ, hatte Gem noch gerade rechtzeitig aufgeblickt, um ihre Mutter grinsen zu sehen, die sich kurz darauf wieder zusammengerissen und einen missbilligenden Blick über ihr schönes, gleichgültiges Gesicht hatte huschen lassen. Dann schaute ihre Mom aus dem Fenster, und eine Andeutung des früheren Lächelns hatte sich zurück in ihre gut aussehenden Züge geschlichen. »Der Ort ist nicht so heilig, wie sie es die Leute gern glauben machen«, hatte sie geflüstert. Nichts weiter. Zumindest nichts, woran sich Gem noch erinnern konnte.
    Gem seufzte. »Es tut mir leid. Es tut mir leid, dass ich nicht eher gekommen bin.« Jedes Mal, wenn alle fortgingen und die Kirche leer und verwaist hinter sich ließen, fühlte es sich für sie so an, als würde ein Zug abfahren, der dem Horizont entgegenglitt zu einem Ort, der die wachsende Leere in ihrem Inneren ausfüllen könnte.
    Die wachsende Leere in ihrem Inneren. Das klang nach einem schlechten Liebesroman. Sie lehnte sich auf der Bank zurück und rollte mit den Augen angesichts dieser Idee.
    Zugegeben, sie veränderte sich tatsächlich, sowohl körperlich als auch emotional. Ihre Hormone waren außer Rand und Band – eine Floskel, die ihre Mutter verwendete, wann immer sich Gem über Hausaufgaben oder Ladenhüter oder irgendetwas, was ebenfalls in diese Kategorie fiel, beschwert hatte. O Mutter , würde Mom sagen, indem sie sich offensichtlich an Nanas Geist oder vielleicht auch an die ›Göttin‹ wandte, sollte dies ihr aktueller Kick sein. O Mutter, hilf mir durch die die nächsten Jahre bis Gems Hormone zur Ruhe gekommen sind , würde sie wispern. Sie sagte es ständig. Und das war furchtbar nervig.
    Gem sah sich in der stillen Kirche um, betrachtete die Myriaden von Farben, die dank der bunten Fenster über die Wände tanzten.
    Der Altar zeigte sich nicht so schmucklos, wie sie gedacht hatte. Eine kurze, dicke Kerze zierte dessen Mitte, die Flamme brannte klein und gerade. Ein Hauch von Vanille lag in der Luft. Es fühlte sich gut an, wieder zurück zu sein, auch wenn sie nur träumte. Der Anblick der Kerze auf dem Altar beunruhigte sie allerdings.
    Ihr früherer Gedanke versuchte sich erneut bemerkbar zu machen. Womöglich war sie tot und dies ... Nein! Gem wusste nicht, was hier gerade passierte; warum sie nicht auf dem Boden lag und schrie

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