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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
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die beiden zu schieben. Sie schrie unwillkürlich auf, als die andere Frau mit langen, lackierten Fingernägeln über Rays Handrücken strich und fragte: »Was wirst du tun, um Spaß zu haben, wenn sie fortgeht?« Ihre Stimme klang tief, einladend.
    Ray, ich bin hier. Ich bin genau hier, du Mistkerl.
    Er bewegte die Hand, als wollte er sie wegziehen. Joyces Hoffnungsschimmer – warum hoffte sie auf irgendetwas, warum kümmerte es sie überhaupt – schwand. Er öffnete seine leicht geballte Faust und nahm die Hand der anderen Frau.
    »Ich könnte es mit dir tun.«
    Das ist eine Lüge! Sie schrie abermals gegen die sich stetig vergrößernde Entfernung zwischen ihnen an. Die Frau wandte sich ihr zu. Sie hatte sich verändert und war nicht länger klein, sondern so hochgewachsen wie Joyce. Für einen Moment sah sie wie Gems Mutter Deanna aus, bevor sie sich erneut veränderte. Ihre Tochter starrte sie aus weit aufgerissen Augen, die in Tränen schwammen, an; ihr Augenbrauenpiercing war glänzend und nass. »Mommy?«, flüsterte sie und versuchte, ihre Hand loszureißen.
    Ray ließ nicht los.
    Joyce kreischte stumm und stürzte sich nach vorn. Doch etwas hielt sie von hinten fest, zerrte sie zurück, immer weiter und weiter in die Dunkelheit, die neuerlich über ihr zusammenschlug.
    * * *
    Wie lange Gem Davidson auf der Couch saß – eingehüllt in diese schwarze Watte, die sie fühlen, aber nicht berühren konnte – wagte sie nicht zu schätzen. Es war ihr unmöglich gewesen, das zu entfernen, was auch immer ihren Kopf bedeckte, und sie hatte es schnell aufgegeben. Jedoch presste sie die Hände noch immer fest vor das Gesicht, hielt die Augen bedeckt und versteckte sich vor demjenigen Monster, das jetzt in der Finsternis des Hauses lauerte – oder schlimmer noch, das gerade vor ihr stand. Ab und zu spreizte sie einige Finger, um hindurchzulugen und hoffte, etwas zu sehen; irgendetwas, das ihr bewiesen würde, dass sie nicht blind oder durchgeknallt war. Doch da war nichts.
    Das einzig Versöhnliche an der Situation war: Sollte sie verrückt geworden sein, waren es die anderen ebenfalls. Jeder von ihnen hatte die hereinkriechende Dunkelheit wahrgenommen. Und jetzt waren sie alle blind, genau wie Gem. Zumindest hatte es sich in diesem kurzen Moment allgemeinen Gebrülls so angehört. Waren sie ebenso taub, wie Gem glaubte es zu sein? Wahrscheinlich. Oder sie waren tot. Nein, das nicht. Sie war am Leben, also mussten es auch alle anderen sein.
    Gem rechnete weiterhin damit, von einer Hand gepackt zu werden oder jemanden neben sich auf die Couch sinken zu fühlen. Doch niemand kam. Sie war allein, während die anderen durch die Räume wanderten und wahrscheinlich auf allen vieren krochen wie die blinden Leute in dem alten Film Blumen des Schreckens , den sie vor ein paar Wochen auf TNT gesehen hatte. Blöder Film. Menschen werden nicht einfach so blind. Werden sie nicht. Sie schloss die Augen und presste die Finger fester auf ihre Lider. Dann hörte sie es. Ein leises Tick . Tick . Tick . Vielleicht eine Uhr. Sie hoffte zumindest, dass es keine Bombe war.
    Als sie das nächste Mal durch ihre Hände spähte, war der Raum nicht mehr dunkel. Gem spreizte die Finger so weit, dass die Haut, die sich dazwischen befand, weh tat. Sie konnte mittlerweile wieder alles erkennen, aber was sie sah, ließ sie verwirrt aufschluchzen. Der Ausbruch verursachte kein Geräusch, aber sie war zu verstört, um es zu bemerken; zu verdutzt angesichts der Erkenntnis, dass sie sich nicht mehr dort befand, wo sie eigentlich gewesen war. Die Couch, auf der sie saß, war nicht dieselbe. Es war ihre , in ihrem eigenen Haus.
    Sie setzte sich aufrecht hin und schluckte. Mom? Dad?
    Wie konnte es sein, dass sie nichts hörte ...? Gem räusperte sich, doch als sie feststellte, dass sie nicht einmal das wahrnahm, entschied sie sich gegen einen weiteren Versuch zu reden. Immer ein Schreck nach dem anderen.
    Tick. Tick. Tick.
    Die Standuhr, ein großer, imposanter Obelisk – einer von dem sie nie angenommen hätte, dass er zu der überladenen Ausstattung des Davidson-Hauses passte – zählte neben der Treppe die Sekunden. Zuerst war es das einzige Geräusch, das Gem vernahm. Dann stimmte draußen ein weiteres mit an. Ein Flugzeug kreuzte den Himmel über ihrem Dach auf dem Weg zum Logan Airport
    Was passiert hier?, flüsterte Gem. Sie fröstelte angesichts ihrer ausbleibenden Stimme.
    Die Fenster präsentierten sich finster. Es schien Nacht zu sein. Das

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