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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
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schmerzhaft. Er ließ ihn an seiner Seite baumeln und fühlte sich, als müsse er sich übergeben.
    »Es ist okay, Mister Watts«, sagte Gem, die sich von Joyce fortlehnte und das Gesicht von den Tränen trocknete. »Wir kommen schon wieder in Ordnung.« Sie schniefte laut, ohne auch nur einmal die Augen von ihm abzuwenden. »Wir kommen in Ordnung. Wirklich.«
    Bill bemerkte, dass er hyperventilierte und versuchte nun, tief durchzuatmen. Dieses Mädchen wollte ihn tatsächlich beruhigen. Es beschämte ihn, dämpfte aber gleichzeitig seine Panik. Er lehnte sich gegen die Wand, glitt daran hinab und ließ sich auf dem Fußboden nieder. Seine Atmung verlangsamte sich. Kurz über dem Ellbogen tat sein rechter Arm wirklich weh. Bill reckte den Hals, um einen Blick zu dem Fenster zu werfen. »Hab ich es zerbrochen?« Er erinnerte sich kaum daran, dass er seinen Arm hatte dagegen knallen lassen, aber er musste es getan haben, mehr als einmal.
    Gem schüttelte den Kopf. »Sie sind bloß irgendwie ausgerastet.«
    Bill lachte, doch es war von kurzer Dauer und ohne Humor. »Jaaa ...«
    Seyha schniefte irgendwo hinter der Couch. Er konnte sie nicht sehen, doch er musste aufstehen und sich um sie kümmern. In ein paar Sekunden. Im Augenblick hatte er keine Kraft dafür.
    Joyce strich mit der Hand über Gems Kopf und entwirrte einige Strähnen. Sie blickte zurück zu Bill. Dabei zeigte ihre Miene wesentlich mehr Leben als noch kurz zuvor, als sie völlig verstört neben dem Tisch gestanden hatte.
    »Das Fenster hat sich nicht öffnen lassen, nehme ich an.« Das war keine Frage. Bill schüttelte den Kopf. Joyce seufzte und faltete anschließend die Hände vor ihrer Brust. »Herr, führe uns aus der Finsternis, hilf uns, den Weg nach Hause zu finden. Erlöse uns von dem Bösen und schenke uns die Kraft, um ...« Sie zögerte; ihre Augen waren geschlossen, doch sie zuckten hinter ihren Lidern hin und her. Bill befürchtete, sie könnte ohnmächtig werden. Gem faltete ebenso die Hände, vielleicht ohne es sich überhaupt bewusst zu sein. Jetzt hob sie eine Hand und legte sie, ohne aufzublicken, auf Joyces Schulter. Bei dieser Berührung beendete Joyce das Gebet, »... um stark zu sein. Wir verstehen nicht, was vorgeht, hier oder dort draußen oder was mit jedermann geschieht ...« Sie unterbrach abermals und biss sich auf die Unterlippe, öffnete die Augen und sagte nichts mehr.
    »Amen«, flüsterte Bill.
    * * *
    In den folgenden zehn Minuten liefen Bill und Joyce im Gemeinschaftsraum zu jedem Fenster und probierten, den Riegel zu drehen. Kein einziger bewegte sich. Selbst wenn die Hebel irgendwie abgesperrt waren, sollte man sie wenigstens noch ein bisschen hin und her wackeln lassen können. Doch sie rührten sich nicht, als wären sie zugeschweißt worden. Als das Davidson-Mädchen dies mitbekam, sprang sie auf und rannte ins Foyer. Einen Wimpernschlag später rief sie: »Die Vordertür ist verschlossen. Der Knauf lässt sich nicht drehen.«
    Seyha saß in einem der Sessel. Sie beobachtete alles, ohne etwas zu sagen, lauschte den Worten, konnte sie jedoch nicht akzeptieren. Irgendjemand oder irgendetwas hatte sie alle eingeschlossen. Sie klappte ihr Handy erneut auf; es rührte sich nichts, der Akku war leer. Der Ersatz-Akku befand sich in der Schublade des kleinen Beistelltisches neben der Couch, doch auch dessen Schublade war genauso fest verschlossen wie die Fenster. Sie ließ die Klappe des Telefons zuschnappen, schnippte es wieder auf und ließ es letztendlich zu Boden fallen. Um sich zu beruhigen, inhalierte Seyha tief, doch sie fand es schwer, auszuatmen, als wäre sie genauso versiegelt wie all die Türen und Fenster. Dennoch entwich die Luft langsam durch ihre Lippen, die sie nicht zu öffnen wagte. Sie schloss die Augen und atmete noch tiefer ein, zwang den Sauerstoff in ihre Nasenlöcher und durch ihren halb geöffneten Mund wieder nach draußen. Immer und immer wieder. Sie begann, sich besser zu fühlen, körperlich zumindest. Und jetzt erhielt auch alles andere in diesem Albtraum schärfere Konturen.
    Bill kam herüber zu ihrem Sessel und kniete vor ihr nieder; eine Hand lag auf ihrem Knie, während er mit der anderen ihre beiden Hände ergriff. »Bist du in Ordnung, Sey?«
    »Was ...«, begann sie, doch ihr Mund war viel zu trocken. Sie schluckte und versuchte es noch einmal. »Bill, was geschieht hier?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber uns geht es gut. Das ist doch schon mal ein Anfang. Wir

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