Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis
bin ich gegangen. Ehrlich!« Mit flehentlichem Blick starrte sie Seyha und Bill an. Zu Seyhas Verdruss bedachte ihr Mann sie mit einem ermutigenden Nicken, obwohl das Mädchen soeben gestanden hatte, dass Seyha von Anfang an Recht gehabt hatte.
Gem schloss die Augen. Ein paar Tränen lösten sich. Ihr Gesicht verzog sich, als sie stumm weinte. Sie schien mit sich zu ringen.
An dem Tag ist etwas geschehen, das sie uns nicht erzählt , ging es Seyha durch den Kopf, doch sie verdrängte den Gedanken sogleich. Es ging sie nichts an, außerdem besaß Joyce durchaus Intuition. Offensichtlich erkannte sie dies selbst. Leider wirkte die Frau verlorenen als sie alle. Ihr Exmann hatte sich zurück zu ihrem Haus geschlichen, Jahre nachdem er Joyce und ihre Tochter im Stich gelassen hatte. Ein beunruhigender Gedanke, fand Seyha. Und einer, der sie nichts anging.
Schließlich schniefte Gem und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Sie sah Seyha an, die den Blick mit einem wütenden Starren erwiderte.
»Es tut mir leid, dass ich mich hier hereingeschlichen habe. Ich wollte nur ...«, setzte Gem an. Ihre Miene schlug in den üblichen Trotz um. »Aber als ich hergekommen bin, hat Ihnen das Haus noch nicht gehört, sondern ihr «, sagte sie und nickte in Joyces Richtung. »Oder ihrer Kirche, oder Gott. Wenn Joyce sagt, dass es falsch war, was ich getan habe, dann ist es falsch.« Deutlich demütiger schaute sie zu Reverend Lindu. »Was meinen Sie?«
Joyce bedachte sie mit einem vagen, abwesenden Lächeln, ohne die Hand von Gems Arm zu nehmen. »Nein, ich denke, es war nicht falsch. Aber gefährlich. Was, wenn du verletzt worden wärst? Oder ...« Jäh brach sie den Satz ab.
Gem schüttelte den Kopf. »Es ist nichts passiert.« Zu Seyhas Überraschung drehte sich das Mädchen direkt Joyce zu und wartete, bis die ältere Frau sie ansah. »Es ist nichts passiert, Mrs. Lindus. Ehrenwort.«
Joyce wirkte nachdenklich. Offensichtlich verstand sie, was das Mädchen meinte. »Darüber bin ich sehr froh, Gem. Vielleicht können wir eines Tages ausführlicher über deine Besuche hier reden. Wäre das in Ordnung?«
Gem zuckte mit den Schultern.
Joyce holte tief Luft, schloss die Augen und blies langsam den Atem aus. Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück. Ihre Stimme klang deutlich kräftiger, als sie schließlich sagte: »Was ist mit Ihnen beiden? Ist an Ihrer Geschichte noch mehr dran, Bill? Ich glaube, irgendwie sind wir von Ihrer Vision abgekommen.«
Seyhas Magen krampfte sich zusammen. Was sie gesehen hatte, ging niemanden sonst etwas an. Wenn es wirklich einen Teufel gab, der Spielchen mit ihr trieb, würde sie damit zurechtkommen. Sie hatte ihr Leben damit verbracht, nicht über diese Zeit zu reden, und sie hatte nicht vor, die Mauer jetzt einzureißen, erst recht nicht vor der Davidson-Göre.
Bill legte ihr die Hand auf die Schulter und zog sie dichter zu sich. »Ich muss zugeben, im Vergleich zu dem, was ihr beide erlebt habt, war mein Traum gar nichts. Außer gegen Ende hin, als diese Stimme zurückkehrte, ziemlich laut und in meinem Kopf. Sie hat mir gedroht, mich zu verletzen. ›Ich werde dir das Herz herausreißen.‹ Oder so ähnlich. Das war recht beängstigend.«
»Aber davor ging es nur um Sie und Seyha bei ihrer ersten Verabredung, und später um den Moment, in dem Sie ihr einen Antrag gemacht haben?«
Er zuckte mit den Schultern. Seyha bewegte sich durch die Geste leicht. »Ich fürchte, ja. Nicht, dass ich mich darüber beschweren könnte. Na ja, Sie wissen schon, was ich meine.«
Gem schniefte erneut und sagte: »Sie haben gemeint, ein paar Dinge wären anders gewesen.«
Bill überlegte. Seyha spürte, wie sich sein Griff um sie lockerte. Wahrscheinlich nur, weil er in Gedanken versank. Sie ließ den Blick zu Boden gerichtet und bemerkte einen kleinen Schmutzfleck auf dem ansonsten sauberen Teppich.
»Ich kann es nicht genau sagen. Ich weiß auch nicht, warum es gerade diese beiden Szenen waren, die mir in den Sinn kamen. Oder mir in den Kopf gepflanzt wurden, was immer geschehen ist ...«
Nachdem seine Stimme verhallt war, spürte Seyha deutlich, wie sich sein Blick auf sie heftete. Vielleicht versuchte er lediglich, es zu verstehen. Möglicherweise war da noch etwas anderes.
Die Schublade im Schlafzimmer war unversperrt.
»Seyha«, sagte Bill so dicht an ihrem Ohr wie zuvor jene andere Stimme. »Was ist mit dir?«
Sie versteifte die Schultern, wollte sich aus seinem Griff befreien, sie alle
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