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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
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blutigen Mäulern der Wölfe verschwinden. Es war zu spät für sie, zu spät für alles außer den Tod.
    »Öffne ...« Die Pein in ihrem Kopf explodierte. »... die ...« Seyha öffnete den Mund, um zu schreien. »... Augen!«
    Sie tat es – und erblickte Bills tränenverschmiertes Gesicht, das sie durch das Wohnzimmer anstarrte.
    »... wahr ...«, das war alles, was er sagte.
    Joyce Lindu stand an der Tür zum Zimmer ihrer Tochter, nach wie vor außerstande zu sprechen. Rebecca presste den Pyjamaoberteil gegen sich, schniefte laut und schluchzte: »Es tut mir leid.« Sie wandte den Blick ab, starrte in die Düsternis ihres Zimmers. Ihre Umrisse zitterten im trüben Licht. »Es war meine Schuld«, fügte sie mit belegter, kaum hörbarer Stimme hinzu. »Es tut mir so leid.«
    Jetzt, wie in der Nacht, als es geschah, rissen die Worte ihrer Tochter Joyce aus ihrer Lähmung.
    Meine Schuld.
    Zu hören, dass Bec die Schuld für die Taten des Monsters auf sich lud, zu dem Ray in den vergangenen Jahren geworden war, erwies sich als zu viel. Im Zimmer wurde es dunkler. Joyce verengte die Augen zu Schlitzen. Sie besaß zwar immer noch keine Kontrolle über ihren Körper, konnte es jedoch kaum erwarten, ihm zu folgen, als sie spürte, wie sie sich umdrehte und den Weg zu der kleinen Küchennische antrat. Ihre Gedanken fühlten sich an wie Steine, die auf den Grund eines Flusses sanken. Rays Schuld. Seine Schuld . Es reicht.
    Ihre Hand legte sich auf den Griff des größten Messers, zog es heraus. Als sie sich umdrehte, hörte sie vage, wie sich die Hintertür öffnete, doch sie wusste instinktiv, dass es Bec war, die hinausrannte. Und sie wusste, wohin Ray gegangen war – wohin er immer ging, wenn er sich von dem emotionalen Brand entfernen wollte, den er im Haus entfacht hatte. Nicht in irgendeine Bar, wie es manch andere Ungeheuer vielleicht taten. So viel Einfallsreichtum oder Energie besaß Ray nicht. Er hatte sich nach unten zurückgezogen, in den Keller. Dort würde er den kleinen Kühlschrank durchwühlen, in dem Vorräte für die Gemeinde aufbewahrt wurden, und die Reste von der letzten Kirchenveranstaltung völlern. Für ihn käme es einem Schuldgeständnis gleich, das Haus zu verlassen. Was immer er getan hatte.
    Was immer er getan hatte . Weitere Steine sanken auf den Grund des Flusses. Zu viel. Es muss aufhören . Sobald sich ihre Gedanken Rebecca zuwenden wollten, wurden sie von Verwirrung und Schmerz vertrieben.
    Leise, aber zielstrebig bewegte sich Joyce durch die Kirche in Richtung des Haupteingangs. Das Messer in ihrer Hand besaß kein Gewicht. Der weiße, knochenartige Griff war rutschig vor Schweiß. Sie wischte sich die linke Hand am Morgenmantel ab und verlagerte das Messer, bevor sie auch die rechte Hand abwischte und die Kellertür öffnete. Auf dem Weg nach unten wechselte sie den Griff zurück in die rechte Hand.
    Ray stand am fernen Ende des Flurs an der mit Angel versehenen Klappwand, die sowohl als Theke als auch als Eingang in die kleine Küche im Keller diente. Er trug Jeans, keine Socken und ein weißes T-Shirt mit der Zeichentrickfigur Calvin , die an einen Lastwagenreifen pinkelte. Ein weiterer Gegenstand, von dem niemand in der Gemeinde vermutet hätte, dass er ihn besaß. Joyce hasste dieses T-Shirt. Und sie hasste ihn.
    Joyce gab sich keine Mühe, das an ihrer rechten Seite herabhängende Messer zu verbergen, als sie den Flur durchquerte. In diesem Augenblick fühlte sie sich nicht wie die hilflose Passagierin, die sie gewesen war, seit die Finsternis Einzug gehalten hatte. Sie erinnerte sich an diese Nacht, durchlebte sie fast jeden Tag aufs Neue. In letzter Zeit hatten die Bilder sie seltener und mit weniger Schmerz heimgesucht. Nun war wieder alles da, so klar und deutlich, als trüge es sich tatsächlich abermals zu. Was es in gewisser Weise tat. Joyce wollte nicht näher darüber nachdenken. Alles, was sie wollte, war ...
    »Kommst du, um mich umzubringen?«, fragte Ray. Als sie in Sicht geraten war, hatte sie gesehen, wie er die Züge verkniff, bereit, alles zu leugnen, Bec – oder, noch wahrscheinlicher, Joyce selbst – die Schuld zu geben und halb wütend, halb verletzt dreinzuschauen. Er hatte nicht lange gebraucht, um zu bemerkten, was sie in der Hand hielt. Nun stand er aufrechter, trotziger da. Offenbar glaubte er nicht, dass sie es tun würde, dass sie so viel Hass in sich hätte.
    Joyce erwiderte nichts. Stattdessen beschleunigte sie die Schritte, bis sie sich nur noch

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