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Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis

Titel: Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel G. Keohane
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der sie in ihrem eigenen Heim entführt, sie durch eine Abfolge von Folter und Tod geschleift hatte? Sie war glücklich in ihrem Leben mit Bill gewesen, damit zufrieden, all dies hier zu vergessen. Wenn Gott ein Gott der Liebe war, wieso verursachte er dann so viel Leid? Warum hatte er ihre Familie sterben lassen? Warum konnte er sie nicht in Ruhe lassen?
    »So viele Fragen«, flüsterte Angelique.
    Die in Seyha lodernde Hitze breitete sich durch ihre Arme und in ihrer Brust aus, staute sich in ihrer Kehle, bis sich die Worte, die sie formte, nicht mehr zurückhalten ließen. Sie umklammerte die Kirchbank. Wenngleich die Heiligkeit des Ortes, die dunkle Illusion der Nacht und das Flackern der Kerzen ihre Stimme auf die Lautstärke der Nonne senkten, konnte sie die Worte selbst nicht mehr im Zaum halten.
    »Du betest zu einem Monster«, zischte sie. »Du kniest und bettelst um Beistand und Liebe, allerdings von jemandem, der sich nicht das Geringste aus dir oder den Kindern hier macht. Wir sind Schachfiguren, die heulen und wehklagen, während wir von jemandem über das Spielbrett geschoben werden.«
    Überraschenderweise lächelte die Nonne. Sie drückte die langen, schwieligen Finger fester an den Mund. Durch sie hindurch sagte sie: »Meine kleine Seyha ist so poetisch. Wer hat noch mal gesagt, dass Leid und Qualen Nahrung für das Herz eines Künstlers sind?«
    Seyha trat vor, ragte über der Frau auf. »Es ging mir – uns – gut, bevor dieser ... dieser ...«, sie deutete mit dem rechten Arm rings um sich, »... dieser Wahnsinn begonnen hat. Dieses gemeine Spiel, das Gott mit uns treibt. Das ist kein Gott, zu dem ich je beten möchte.«
    Ein weiteres stilles Lächeln hinter den Fingern. »Es ging dir also gut«, meinte Angelique. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, eine Wiederholung Seyhas eigener Worte. Langsam senkte die Nonne die Hände und rappelte sich steif auf die Beine. Ihre Züge, deren Schönheit der sanfte, rötliche Schimmer der Votivkerzen unterstrich, blieben ruhig. Ihre blauen Augen, deren Farbe ob der Beleuchtung zu einem fahlen haselnussbraun verwaschen wurde, starrten eindringlich in jene Seyhas. »Wir beide wissen, Doung Seyha, dass es dir nicht gut geht. Dass es dir nie gut gegangen ist.«
    »Hör auf, mich so zu nennen!« Kurz fürchtete sie, ihr Schrei könnte die anderen Kinder wecken. Dann fiel ihr ein, dass sie nicht hier waren. Keine Atemgeräusche, keine sich rastlos auf ihren Matten hin- und herwälzenden, kleinen Körper. Sie waren allein.
    Angelique legte Seyha eine langfingrige Hand auf die Schulter. Sie lächelte nicht mehr, bewahrte jedoch ihre Ruhe. »Dann eben Seyha Watts«, meinte sie. Dann nickte sie in Richtung der Stelle, zu der Seyha geschaut hatte. »Wir haben ein neues Gebäude auf der anderen Straßenseite. Der Schlafsaal ist klein, aber verglichen mit den beengten Verhältnissen hier in dieser Kapelle ist es ein Palast. Gott sorgt für seine Schäfchen.«
    »Gott tötet. Er hätte meine Familie retten können!« Als sich eine Träne von ihrem Gesicht löste, hasste sie sich dafür. Dies hier geschah nicht wirklich. Sie schlug die Hand der Nonne weg. Angelique ließ den Arm sinken, doch die Eindringlichkeit verblieb in ihren Augen.
    »Gott lässt uns wählen, wem wir dienen. Der Finsternis oder dem Licht. Wer die Finsternis wählt, hasst jene im Licht. Sie sind ohne die Wahrheit verloren – eine Wahrheit, die sowohl gut als auch schlecht sein kann.«
    Seyha beugte sich dichter zu ihr. »Das beantwortet gar nichts.«
    Angelique ließ sie auf sich zukommen, zeigte keine Furcht.
    »Das beantwortet alles. Es ist nicht seine Aufgabe zu gewährleisten, dass jeder Mensch hundert Jahre alt wird. Wir alle sterben, wenn unsere Zeit kommt. Altersschwäche, ein Feuer, eine Sintflut, Kugeln, ja sogar Hass können unseren Aufenthalt hier beenden. Das Ziel des Feindes besteht darin, unser Herz auf die Ursache zu richten.« Nun beugte sie sich näher. Seyha roch einen Nachhall der Gewürze des Abendessens in ihrem Atem. »Du musst über den Schmerz, über dieses Leben hinausblicken. Lügen bekämpft man nur mit Wahrheit.«
    Seyha lehnte sich zurück und schlang die Arme um sich. Aufgrund ihrer Nähe etwas leiser entgegnete sie: »Wenn das die Wahrheit ist, ziehe ich die Lügen vor.«
    Sie sah, wie Angeliques Hand emporschnellte und auf ihrer Wange landete, wenngleich sanft. Seyha zuckte automatisch zusammen. Doch da war nur eine raue, warme Handfläche in ihrem Gesicht,

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