Plage der Finsternis - Keohane, D: Plage der Finsternis
wollte nicht so wirken, als starre er hin.
Carls Rückwurf ging zu weit, um ihn zu fangen. Natürlich hätte Eliot ebenso danach hechten können, doch er erinnerte sich an den Arm seines Freundes. Der Ball landete noch in seinem Garten auf dem Boden. Eliot rannte hinterher und wünschte, Gem würde aus dem Nachbarhaus kommen, damit er sie fragen könnte, wie es darin aussah. Außerdem würde in weniger als zehn Minuten das erste Spiel der Saison beginnen.
Gem und Joyce hielten einander fest. Beide atmeten schwer. Joyces Herz hämmerte so wild in der Brust, dass sie fürchtete, es würde sich nie wieder beruhigen. Sie holte tief Luft und spürte, wie sich Gem bewegte. Langsam, bedächtig blies sie den Atem aus.
Draußen herrschte Tageslicht, das mit solcher Intensität schillerte, dass Joyce am liebsten die Fenster geküsst hätte. Sie beobachtete, wie Gems Bruder lachte und zurück an seinen Platz neben dem Haus rannte.
Gems Bruder ...
»Gem«, flüsterte sie. Diesmal löste sich das Mädchen von ihr, wenngleich nur ein wenig, ohne sie loszulassen. Sie blickte zu Bill und Seyha Watts hinüber. Die beiden knieten an derselben Stelle wie zuvor, als die Finsternis über ihnen zusammengeschwappt war. Bill starrte zu Boden Hatte er überhaupt bemerkt, was sich ereignet hatte? Seyha sah sich wie Joyce und Gem um, ließ die Augen zur Küche, über den Esszimmertisch und an die Decke wandern. Alles unversehrt und hell erleuchtet von der Sonne.
Mit belegte Stimme gab Gem schließlich zurück: »Was?«
Joyce löste einen Arm von ihr und deutete aus dem Fenster. »Dein Bruder ist immer noch draußen ...«
Gem drehte sich um, doch der Junge wurde zu einer Vielzahl farbenprächtiger Formen verzerrt, als er sich vor dem Buntglas bewegte. Dann lief er rücklings, um einen weiteren Ball zu fangen, fiel dabei und landete nur wenige Zentimeter von der Straße entfernt auf dem Boden.
Während sie ihn beobachtet hatte, war Gem gegen Joyce gestolpert, sagte jedoch nichts.
Joyce legte dem Mädchen eine Hand auf die Schulter und zwang sich, die Aufmerksamkeit wieder auf die Watts’ zu richten. Bill wischte sich mit einem Arm über das Gesicht und schien endlich seine Umgebung wahrzunehmen. Mittlerweile starrte Seyha auf eine Stelle des Läufers vor ihren Knien. Was hat sie nur getan? , fragte sich Joyce. Was mochte Bill entdeckt haben, das ihn dermaßen zerstört hatte?
Bill heftete den Blick erneut auf seine Frau. Sein Schluchzen drohte, wieder aufzuflammen, aber er räusperte sich und presste hervor: »Wie konntest du etwas so ... so ... Wie konntest du es tun, ohne zuvor mit mir zu reden?«
Er umklammerte die Armlehne des gepolsterten Sessels neben ihm und begann, sich daran hochzuziehen. Ihm fehlte die Kraft, und so lehnte er sich nur dagegen. »Wie lange schon, Sey?« Seine Stimme schwoll an. »Wie lange nimmst du diese Pillen schon?«
Joyce verstand nicht, was er seine Frau fragte. Sie wagte nicht, dazwischenzugehen. Noch nicht.
Und sie wollte aus diesem Haus verschwinden, so sehr, dass sie um ein Haar Gems Hand ergriffen hätte und zur Tür gerannt wäre. Stattdessen schloss sie die Augen und zwang sich zu Geduld. Die plötzliche Dunkelheit zwischen ihren Lidern fühlte sich furchterregend an. Rasch öffnete sie die Augen wieder und schaute hinaus in den wundervollen Tag.
Seyha starrte zu Boden. Sie antwortete nicht auf Bills Frage. Ab und an durchlief sie ein Schauder, zeitweise so heftig, dass sie fürchtete, einen Schlaganfall zu erleiden. Im Zimmer herrschte grelles Tageslicht. Unter den Fenstern und über den Boden erstreckten sich wieder Schatten. Jener Bills berührte ihr rechtes Knie.
Der Albtraum war vorbei. Zumindest für Joyce und Gem. Seyha wünschte, sie würden gehen, damit Bill sie umbringen und ihr Elend beenden könnte. Mühsam unterdrückte sie ein Schluchzen; weinen wollte sie um keinen Preis. Sie verdiente kein Mitleid und wollte keines.
»Seyha!«, herrschte Bill sie an. »Sieh mich an!« Als sie es tat, wandte er sich ab, spähte durch Tränen hindurch zu Joyce empor. »Wissen Sie, was diese ... diese ...« Er verstummte, brachte das nächste Wort nicht hervor.
Seyha fiel ein, was Schwester Angelique gesagt hatte. Du verstehst nicht, was vor sich geht. Mittlerweile verstand sie es. Ihr Leben hatte sie für immer verändert. Bill hasste sie, und sie verdiente es. Er griff nach ihr, packte ihr Handgelenk und drückte zu. Seyha sah ihm in die Augen, fürchtete sich vor dem Hass, der in seinem
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