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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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Wohnraumzuweisungen?«
    »Jetzt sind wir sozusagen bei den Nachbarn«, rief Stein. »Das ist noch mal die gleiche Anordnung, aber verkehrt herum!«
    Wegener schüttelte den Kopf. »War schon 91 überflüssig. Von sechzehn Millionen runter auf vierzehneinhalb, da hatte sich die Wohnungsnot erledigt.«
    Gemeinsam folgten sie Frankenstein ins nächste Zimmer.
    »Dann ist es normal, wenn ein emeritierter Politikprofessor rund zweihundertfünfzig Altbauquadratmeter Bibliothek bewohnt. Voll mit den neuesten Westpublikationen.«
    »Ich fürchte, das wird bei uns leider niemals normal werden. Auch nicht, wenn wir nur noch eine Million wären.«
    Brendel sah für einen kurzen Moment so aus, als wolle er etwas antworten, sagte aber nichts.
    Wegener ging langsamer. »Sie fragen sich, wen ein Mann in der DDR erpressen muss, damit er an so eine Wohnung kommt.«
    Brendel nickte. »Das frage ich mich. Und Sie fragen sich das offenbar auch. Wie wär’s mit dem Staatsratsvorsitzenden?«
    »Es kann auch der Generalsekretär sein. Oder der Stellvertreter des Staatsratsvorsitzenden. Oder der Vorsitzende des Ministerrats. Zum Beispiel.«
    »Gysi?« Brendel runzelte die Stirn. »Ich dachte immer, der Ministerrat ist nur Dekoration.«
    »Selbst Gysi hat bestimmt genug Macht, um jemandem so eine Wohnung zu besorgen.«
    »Auch genug Macht, jemanden aufhängen zu lassen?«
    Wegener sah Brendel in die blauen Augen. »Das dürfen Sie morgen früh diesen Major Wischinsky fragen.«
    »Dann besorgt der mir aber kein M9 mehr.«
    »Vielleicht gerade dann. Damit er Sie abhören kann.«
    »Hier endet die Bücherei!«, rief Frankenstein.
    Wegener und Brendel betraten einen vollgestellten Raum, der offenbar alles unterbringen musste, was in den anderen neun Zimmern keinen Platz gefunden hatte: ein Doppelbett, zwei Kleiderschränke, einen kleinen Esstisch mit zwei Stühlen, einen Fernseher und eine Zweiercouch, die an einem offenen Kamin aus weißem Marmor stand. Vor dem Fenster sieben Blumentöpfe, in denen Rosen wuchsen.
    »Nicht schlecht, oder?« Frankenstein freute sich, als würde er nächste Woche in Hoffmanns Wohnung einziehen.
    »In der Tat, nicht schlecht«, sagte Brendel und streckte die Hand aus. »Richard Brendel, Kriminalpolizei Westberlin.«
    Frankenstein blies die Backen auf: »Entschuldigung, natürlich, Stein, Frank Stein, Frankenstein. Volkspolizei. Volkspolizei Ostberlin. Willkommen auf der anderen Seite des antikapitalistischen Schutzwalls, Herr Brendel.«
    »Frank, wie sieht’s aus?«, fragte Wegener und drehte sich um. Kayser war nicht zu sehen.
    Stein schob seine Brille den Nasenrücken hoch. »Also: Was diese Bibliotheksräume angeht, keine Auffälligkeiten, nichts unter UV-Licht, keine relevanten Spuren auf den Dielen. In der ganzen Wohnung muss innerhalb der letzten drei, vier Tage sauber gemacht worden sein, aber gründlich. Eimer und getrockneter Aufnehmer in der Küche, Scheuermittelspuren am Waschbecken et cetera.«
    »Hoffmanns Putzfrau?« Wegener zog einen Finger über den Kaminsims. Kein Staub.
    »Die Nachbarschaftsbefragung ist im Gange, aber ich denke, es läuft so oder so auf die Putzfrau hinaus. Auf jeden Fall hat hier niemand versucht, professionell Spuren zu beseitigen. In der Küche gibt es schmutziges Geschirr in der Spülmaschine, das auf mindestens zwei Personen hindeutet. Zwei Fischmesser, zwei Gabeln, zwei Weißweingläser, zwei Sherrygläser und so weiter. Es sei denn, Hoffmann hatte die Angewohnheit, von zwei Tellern gleichzeitig zu essen.«
    »Benutztes Geschirr?«, fragte Brendel. »Obwohl jemand sauber gemacht hat?«
    »In die Spülmaschine gestellt, aber die war gerade mal zu einem Viertel voll. Wir suchen also eine ökonomisch denkende Putzfrau, die lieber ein bisschen Muff in Kauf nimmt, bevor sie volkseigene Energiereserven verschleudert.«
    »Fingerabdrücke?«
    Stein ging zu einem Karton, in dem mehrere Plastikbeutel lagen, und griff hinein. »So weit wir feststellen konnten, von drei unterschiedlichen Personen in Küche und Wohnzimmer. Wenn wir die Bibliothek Buch für Buch absuchen müssen, arbeiten wir hier bis zur nächsten Wiederbelebung. Das würde ich gerne vermeiden, wenn sich kein zwingender Anlass ergibt.«
    »Drei Personen«, sagte Wegener. »Das bedeutet: Hoffmann, die Putzfrau, sofern sie existiert, und wer noch?«
    »Und vielleicht dieses hübsche Kind hier.« Stein legte ein gerahmtes Foto auf den Esstisch.
    Wegener und Brendel beugten sich über das Bild. Eine junge blonde Frau am

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