Plan D
Strand. Die Frau lächelte in die Kamera, hatte sich ein rotes Badetuch um die Brust gewickelt, hielt das Tuch mit einer Hand fest. Im Hintergrund ein paar unscharfe Menschen im knallblauen Wasser.
Früchtl hätte gesagt sehr gut bestanden , dachte Wegener, streng nach seinem NVA-Notensystem für Frauenschönheit, und Früchtl hätte Recht gehabt, was anderes als sehr gut bestanden kam hier nicht in Frage. Dieses Mädchen war eine Wucht.
»Wie alt?«, fragte Brendel.
»Mitte, Ende zwanzig«, sagte Kayser. Wegener hatte trotz des ächzenden Dielenbodens nicht gehört, dass er hereingekommen war.
»In der Nachttischschublade Kondome.« Stein räusperte sich. »Viele Kondome. Außerdem eine Peitsche, Handschellen, batteriebetriebene Dildos und ein, ä h – Potenzmittel.«
»Ein äh Potenzmittel?« Kayser grinste. »Was denn für eins?«
»Es heißt Aufrecht . Ein ostdeutsches Produkt. Soll sehr wirksam sein.«
»Glücklicher alter Mann.«
»Frank Stein, Frankenstein.«
»Christian Kayser.«
»Sonst noch Spuren von der Frau?« Brendel nahm das Foto in die Hand.
Stein zog ein Notizbuch aus der Hosentasche und blätterte: »Eine angebrochene Packung Tampons, eine zweite Zahnbürste und Deodorant im Bad. Florena Action .«
Wegener hustete.
»Ein bisschen Wäsche in einer der Schubladen im rechten Schrank. BHs, Unterhosen, Socken, Strumpfhosen. Alles sehr gute Qualität.«
Wegener deutete auf das Foto. »Davon brauchen wir schnellstmöglich Abzüge. Was heißt das, sehr gute Qualität?«
Stein sah Brendel und Kayser irritiert an. »Das heißt Westware. Wenn Sie mich fragen.«
»So doll ist die gar nicht«, sagte Brendel. »Meine Socken haben dauernd Löcher.«
Ein Streifenpolizist klopfte an den Türrahmen, nickte in die Runde.
»Weigt, was gibt’s.«
»Tschuldigun g – Frank, falls du gleich ne Sekunde hast, komm mal kurz runter, lohnt sich.«
»Weil?«
»Ich will hier nicht stören.«
»Tust du nicht.«
Der Polizist präsentierte eine Reihe schiefer Zähne. »Da hat so ein Westbonze im Absoluten geparkt. Benz, ein Riesenschiff. Abschleppwagen ist bestellt, ich weiß nur nicht, ob die das Teil da überhaupt drauf kriegen.«
»Vergessen Sie’s«, sagte Kayser, »das Teil passt gerade mal auf den Autozug nach Sylt. Aber wenn Sie es trotzdem versuchen wollen, seien Sie ein bisschen vorsichtig mit der hinteren Stoßstange, da stecken die Sensoren und die Kameras für die automatische Einparkhilfe drin. Die dürften ungefähr das Jahresgehalt Ihres Dienststellenleiters kosten.«
Der Polizist fror ein.
»Hoffmanns Geliebte?« Kayser zeigte auf das Foto. »Oder wie ordnen wir die ein? Eine Hure verschenkt keine gerahmten Bilder.«
»Seine Frau auf jeden Fall nicht«, sagte Brendel. »In der Wohnung wurde genau das deponiert, was eine Frau braucht, um ab und zu mit ihm zu schlafen. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Sie braucht Socken, um mit ihm zu schlafen?«
»Alte Männer«, sagte Brendel. »Die probieren gerne mal was Abgefahrenes.«
Wegener betrachtete die Rosen. »Frank, habt ihr irgendwas, das im Zusammenhang mit dem Tatdatum stehen könnte? Hinweise auf eine Verabredung?«
Stein schüttelte hilflos den Kopf. »Hier gibt es körbeweise Aktenordner und Krempel, wie du siehst. Dazu zwei Rechner, einen Sigma und einen relativ neuen Omikron KC. Auf dem Schreibtisch lagen nur Rechnungen und Bücher. Wir müssen suchen.«
»Ok, dann sucht bitte bevorzugt nach drei Themenfeldern, wenn ihr euch das Zeug vornehmt.« Wegener wartete, bis Frankenstein seinen Bleistift gefunden hatte. »Erstens: Alles, was diese Frau auf dem Foto betriff t – Name, Adresse, Liebesbriefe, was weiß ich. Findet die Putzfrau, die wird euch sagen können, wer das ist. Das brauchen wir schnell.«
Stein kritzelte. Für zehn Sekunden war nur die Bleistiftmine zu hören, die über den Block kratzte. Der eingefrorene Vopo verließ wortlos den Raum. Die Dielenbretter knarrten.
»Zweitens: Gibt es Hinweise darauf, dass Hoffmann erpresst wurde oder dass er irgendwen erpresst hat? Schließfachschlüssel, große Bargeldsummen oder andere Wertgegenstände, Verträge über Bankdepots und so weiter. Und im Zusammenhang damit: Gibt es Hinweise darauf, dass Hoffmann irgendwas mit den Konsultationen zu tun hatte oder vielleicht sogar mit dem Transitgeschäft?«
Frankenstein kritzelte. »Drittens?«
»Wie muss man Hoffmann politisch einordnen? In welche Ecke gehörte er? Was war seine Position, was hat er publiziert? Und überhaupt:
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