Planet am Scheideweg
zu.
Sie verließen jetzt die breite Hauptstraße, auf der der Berufsverkehr in beiden Richtungen zu fließen begann. Die acht kleinformatigen Niederdruckreifen des Turbinenwagens summten auf einer Landstraße dahin. Ein Herbstabend mit seinen langen Schatten und der Luft, die mit einem diffusen Nebel angefüllt war, umfing sie mit seiner wohldosierten Melancholie. Kaum ein anderes Fahrzeug begegnete ihnen auf dem Weg.
»Wohin fahren wir eigentlich?« erkundigte sich das Mädchen.
»Wir fahren zur Mühle .«
»Wodurch wird diese Mühle in Gang gehalten?«
Gossens Lachen war gutgelaunt.
»Unter anderem durch Trinkgelder. Diese kleine Bar haben wir von der Fern-Gruppe entdeckt und gefördert. Daraufhin verbesserten sich der Service und das Niveau, aber die Preise stiegen.«
»Der normale Weg der Wirtschaft!« gab sie zu.
Immer wieder war es für Diona und für viele andere Menschen, die ihre Augen zugleich mit dem Verstand benutzten, ein kleines Wunder. Wenige Menschen außer ihr kannten das wahre Ausmaß der Zerstörung, das der Mensch diesem Planeten zugefügt hatte. Ebenfalls wenige Menschen kannten auch das Paradies der Megamikren. Und jetzt sah sie, immer wieder erstaunt, wie sich langsam die Landschaft wandelte. Die auswuchernde Stadt verschwand hinter Wäldern, die herbstlich und gesund aussahen. Die Blätterfarben leuchteten unter einigen verirrten Sonnenstrahlen auf. Die Straße wand sich unter immergrünen Gewächsen dahin. Ein sauberer Bach kreuzte die Straße. Er war nur deshalb sauber, weil alle Anlieger seines kurzen Laufes ängstlich darauf bedacht waren, ihn reinzuhalten. Aber die Flecken dieser behutsamen Naturbewahrung wurden immer weniger.
»Vermutlich treffen wir dort andere Piloten und ein paar interessante Leute«, murmelte Gossen und steuerte den Wagen auf einen breiten Feldweg hinaus. »Und wir können, falls es dort auch für deine Ansprüche schön genug ist, auch essen. Teuer, aber gut.«
Diona wandte ihm ihr Gesicht zu und nickte.
Der mittelschwere Wagen summte leise. Die breiten Auflageflächen der Räder knirschten auf Sand und Kies. Langsam schwangen die Federbeine durch, als sich das Fahrzeug auf dem gewundenen Weg voller Steine und Felsbrocken bewegte.
In der halben Dunkelheit des späten Tages veränderte sich die Landschaft.
Bodennebel stiegen auf. Sie verwischten die Konturen der Wiesen und der abgeernteten Felder. Auf der Oberfläche der Nebelschwaden schienen die Bäume und die oberen Teile von langen Gräsern und Büschen zu wachsen. Die Sonne ging wie eine riesige, plattgedrückte Kugel von faserigem Rot in einer langen Wolkenbank unter. Die Scheinwerfer des Wagens flammten auf und bohrten ihr Licht in die dichten Hecken am Rand des Weges. Weit vor den beiden Insassen des dunklen Gefährts erhob sich auf einer Hügelkuppe, umgeben von uralten Bäumen, die Mühle.
»Das ist eine Windmühle!« sagte Diona verblüfft.
»Richtig. Sie erzeugt einen Großteil der benötigten Energie selbst. Es sind noch eine Menge kleiner Tricks eingebaut. Wir Raumleute haben die Verwalter darauf gebracht. Warte und staune.«
Der Weg führte über eine Brücke, die lediglich aus einer glatten Betonplatte bestand, zwischen Büschen hindurch und an einem verfallenen Haus vorbei. Überall standen, in wetterfeste Kuben aus Plastik verschweißt, Acker- und Erntemaschinen. Schließlich bog der Wagen auf einen Parkplatz, der mit weißem Kies bestreut war. Unter den Bäumen, zwischen den Zaunpfosten leuchteten moderne Tiefstrahler.
Einige Schilder wiesen den Weg. Gossen Jurnau stellte seinen Wagen zwischen einigen anderen Gefährten ab und schaltete die Turbine ab.
»Ich hoffe, es wird dir gefallen, Diona!« sagte er.
Sie lachte kurz. Ihr Atem bildete eine leichte Nebelfahne.
»Ich hoffe es nicht weniger, Gossen!«, sagte sie.
Die Mühle war ein hoher, konischer Turm, von einem spitzgiebeligen Dach gekrönt. Als sich Dionas Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie bemerken, daß das Dach statt der erwarteten Tonziegel aus blinkenden glasartigen Facetten bestand. Gossen bemerkte ihren Blick und erklärte:
»Das sind hochwirksame Sonnenzellen. An rund hundertsechzig Tagen reichen sie völlig aus, um sämtliche Energie zu erzeugen. Die Windmühlenflügel stehen jetzt still, aber an vierzig oder mehr Tagen treiben sie einen Dynamo an, der ebenfalls den gesamten Energiebedarf decken kann.«
Ein Versuch also, in einem bestimmten Rahmen energieautark zu sein, dachte Diona und folgte
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