Planet am Scheideweg
breite Fluß mit den alten Bäumen an den Ufern malerisch aus. Ein trügerisches Bild absterbender Schönheit, dachte sie. Um sich abzulenken, ging sie zum Bildschirm und wählte eine Nummer.
Es dauerte einige Sekunden, ehe sich Gossen Jurnau meldete.
»Du bist es!« stellte er fest und lächelte sie begrüßend an. »Unruhig? Wir sind erst in einer Stunde verabredet!«
Er glaubte Unruhe und eine leichte Verärgerung in ihrem Gesicht zu erkennen, als Diona erwiderte:
»Merkwürdigerweise beschäftigte ich mich ununterbrochen mit unseren Problemen. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto trostloser erscheint mir die Umgebung. Ich blickte eben aus dem Fenster.«
Jurnau nickte und sagte kurz:
»Ich bin dagegen keine Hilfe, aber ein kurzer Drink in einer bezaubernden Bar vor dem Essen ist es sicher. In zwanzig Minuten bei dir, ja?«
Sie dankte mit einem strahlenden Lächeln.
»Ja. Das ist gut, Gossen.«
Er trennte die Verbindung. Diona schlüpfte in ihre dünnen Stiefel, warf einen leichten Mantel über eine Sessellehne und wartete. Sie schien im Unterbewußten sehr deutlich zu sehen, daß sich an einigen Stellen des Bezugssystems von Chiriana und Dshina die Ereignisse zusammenballten. Aber sie wußte, wie alle anderen Beteiligten, nichts Genaues. Neunzehn Minuten später summte das Signal auf, und sie ließ Gossen Jurnau ein.
Er betrachtete sie prüfend. Sie waren seit Jahren gute Freunde.
»Du siehst grüblerisch aus!« stellte Gossen fest.
»Was man von dir keineswegs behaupten kann«, gab sie zurück. »Irgendwie machst du den Eindruck, als würdest du vor Optimismus bersten.«
Gossen Jurnau war groß und schlank, fast hager. Er hatte einen langen Schädel mit üppig wucherndem Haar und ein Netzwerk von Falten um seine Augen. Er schien braungebrannt, vital und gesund.
»Nicht ganz«, sagte er. »Aber wir Piloten, die das System verlassen, haben andere Informationen, denken bisweilen in größeren Maßstäben. Und daher ist Ousmane für uns nicht viel mehr als ein ehrgeiziger Mann eines einzelnen Planeten.«
Sie ging zur Bar und wählte die Getränke.
»Aber ich denke und empfinde ausgesprochen provinziell«, sagte Diona.
»Ich bin hier, um dir einen Hauch kosmischer Größe zu bringen«, antwortete er nicht ohne Spott.
»Du wirst es schwer haben!«
»Aber nicht doch – denk an deine Erfolge. In einem Jahr wird sich das Problem ganz anders darstellen!«
Diona blickte ihn kopfschüttelnd an, als sie ihm das Glas reichte.
»Ganz anders. Richtig! Die beiden Planeten werden mitten in einem verbissenen Kampf sein. Alle werden leiden, niemand wird davon einen Vorteil haben.«
Er roch am Alkohol, trank einen vorsichtigen Schluck und schob ihren Mantel zur Seite, als er sich auf die Sessellehne setzte.
»Du bist wirklich in einer trüben Stimmung«, erwiderte der Pilot ernst. »Keiner von den beiden Protagonisten, weder dein verehrungswürdiger Herr Vater noch dieser Hitzkopf Yebell Le Monte ist dumm. Sie fechten sicherlich ihren Privatkampf aus, aber sie werden sich besinnen, sobald es wirklich ernst wird.«
Diona zog die Schultern hoch und wünschte sich in die Nähe Yebells, damit er seine Arme um sie legen konnte.
»Ich glaube nicht, daß du recht hast. Vergessen wir alles – wo ist diese angeblich bezaubernde Bar?«
»Ich werde sie dir zeigen.«
Er legte ihr den Mantel um die Schultern, und sie verließen das Haus. Sie gelangten über das hauseigene Band auf das zweite Transportband, das sie zu dem Platz brachte, an dem Gossen seinen Wagen abgestellt hatte. Es war eines der ersten Modelle einer neuen Bauserie, die mit Wasserstoff betrieben wurde. Setzte sich diese Technologie durch, wurde binnen weniger Jahre das Abgasproblem der vielen Maschinen des individuellen Verkehrs so gut wie gelöst. Langsam rollte der Wagen die breite Straße entlang, unter den verkümmerten Bäumen hindurch, deren Blätter verwelkt waren. Die großen Bauwerke des Stadtzentrums wichen zurück. Je weiter sich Gossen und Diona vom Stadtkern entfernten, desto schöner und weniger geschädigt wurde die Landschaft.
»Habt ihr Fernschiff-Piloten neue Informationen?« erkundigte sich Diona.
Gossen schüttelte den Kopf.
»Nein. Aber es gibt einen Haufen Gerüchte. Was Ousmane tun wird, was die Blacklanders vorhaben, was die beiden Planeten tun werden, wie die anderen Welten und die fernen Sonnensysteme mit uns zu tun haben. Im Augenblick ist alles in Gärung.«
»Genau das sagte auch Yahai Paik!« stimmte Diona
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