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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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Mercedes zu Hause vorfahren.
    Wie die amerikanische Gesellschaft dann aber wirklich aussieht, wenn der »middle class squeeze« vorbei ist, können wir erst wissen, wenn Lisa und Bart ihre eigene Serie bekommen. Matt Groenig, übernehmen Sie!

9
Wir glauben an den Kapitalismus
    A merika existiert, um Geld zu machen. Ein Amerikaner wächst auf mit dem Ziel, Geld zu verdienen. Demokratie ist für uns die Gleichheit aller auf dem Marktplatz. Das Wort »Gott« steht auf unseren Dollarscheinen, weil wir glauben, Gott will, dass wir reich werden.
    Die ersten Einwanderer aus England – fast zweihundert Jahre vor der eigentlichen Staatsgründung – kamen zwar aus den unterschiedlichsten Gründen, eines aber hatten sie alle gemeinsam: Sie wollten in der neuen Welt reich werden.
    Neuengland wurde maßgeblich von Puritanern gegründet und geprägt. Für sie war süßes Nichtstun eine offene Einladung an den Satan, doch mal auf Seelenfang vorbeizuschauen. Wer dagegen immer fleißig arbeitete, stand dem Teufel fern und Gott nah. Dafür gab es keinen besseren Beweis als Profit: Geld war die Belohnung Gottes für ein gottesfürchtiges Leben. Das ist wohl auch der Grund, warum es unter Puritanern weit verbreitet war, in ihren Kassenbüchern zu vermerken: »Im Namen Gottes und im Namen des Profits«.
    Lachen Sie nicht: Geldverdienen ist tatsächlich der moralische Imperativ Amerikas. Es ist immer noch ein Zeichen dafür, dass man etwas richtig gemacht hat. Wenn wir einem reichen Menschen begegnen, stellen wir uns nicht vor, dass er reich geboren wurde oder sonst wie Glück im Leben hatte. Wir denken auch nicht, dass er über Leichen gegangen ist. Wir glauben einfach, dass er fleißig und klug war. Für einen Amerikaner ist der reiche Mensch meist auch der bessere Mensch.
    1890 verfasste Russell Conwell, Baptisten-Pfarrer und Gründer der Temple University in Philadelphia, eine Rede mit dem Titel »Acres of Diamonds«, die so beliebt wurde, dass er sie ganze 6.000-mal halten musste. Darin beschwört er seine Landsleute, dass es ihnen nicht nur möglich sei, reich zu werden, sondern es sich dabei geradezu um ihre wichtigste Aufgabe handle: »Es ist eure Pflicht, reich zu werden. Männer, die reich werden, gehören zu den ehrlichsten Männern, die ihr finden werdet. Lasst mich das klar und deutlich sagen: 98 reiche Männer aus einem Hundert in Amerika sind ehrlich. Deswegen sind sie auch reich. Das ist der Grund, warum man ihnen Geld anvertraut.« Na gut, er kannte ja nicht die Manager von AIG und Lehman Brothers, aber auch heute glauben wir noch grundsätzlich daran, dass diese Typen die Ausnahme von der Regel sind.
    Umgekehrt lässt sich dann natürlich auch sagen – und wir würden es zwar nicht öffentlich zugeben, aber die meisten von uns glauben es nichtsdestotrotz aus tiefstem Herzen –, dass wer arm ist, auch faul sein müsse oder es sonst wie selbst versiebt habe.
    Das hat bei uns Tradition. Henry Ward Beecher beispielsweise war einer der einflussreichsten Prediger und Autoren des 19. Jahrhunderts, Befürworter des Frauenwahlrechts und der Abschaffung der Sklaverei, Anhänger des Darwinismus und ganz nebenbei Bruder der Autorin von Onkel Toms Hütte . Fünf Jahre nach dem Bürgerkrieg umschrieb er den moralischen Imperativ zum Geldverdienen so: »Die Wahrheit ist, niemand in diesem Land leidet unter Armut, es sei denn, es ist seine eigene Schuld und er hat gesündigt.«
    Heute sind solche Bekenntnisse zum nackten Raubtier-Kapitalismus zwar politisch inkorrekt, trotzdem hängen wir irgendwie noch daran.
    Mit den Jahren hat der Glaube an den Kapitalismus geradezu den Charakter einer Naturreligion angenommen. Richard T. Hughes beschreibt es in seinem Buch Myths America Lives By so: »Viele Amerikaner finden es selbstverständlich, dass die Entstehung von freien Märkten überall auf der Welt und der gewachsene Wohlstand, der damit einhergeht, irgendwann ein goldenes Zeitalter einläuten werden.«
    Andrew Carnegie, der sich vom ungelernten Arbeiter hocharbeitete, bis er die größte Stahlproduktion der Welt besaß und einer der reichsten Männer des 19. Jahrhunderts war, veröffentlichte 1889 einen Artikel mit dem simplen Titel Wealth – Wohlstand –, in dem er den Kapitalismus kurzerhand mit dem Darwinismus gleichsetzte: Ungleichheit verstand er als Teil der Natur. Genauso, wie manche Arten unfairerweise von ihrer Umwelt bevorzugt würden, genössen auch die wirtschaftlich Erfolgreichsten zwangsläufig mehr Wohlstand,

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