Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
Gegenstände – am besten praktische Gegenstände, die sie nicht wirklich braucht. Von der Kenwood-Küchenmaschine bis hin zum Wäschetrockner, iPhone und iPad, die Mittelklasse hat ihre eigene Definition von Statussymbolen: Sie kommen bescheiden daher, weil sie immer »praktisch« sind. Dennoch müssen sie genauso viel über das Vermögen des Hauptverdieners aussagen wie der 47-Millionen-Dollar-Verlobungsring der Paris Hilton (die Diamantenhersteller De Beers vermarkteten Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgreich die Idee, dass ein Verlobungsring das zweifache Monatsgehalt des Bräutigams kosten solle, und so werden heute für den durchschnittlichen Verlobungsring folglich zwischen 2.000 und 3.500 Dollar in Rechnung gestellt).
Mittelklasse-Statussymbole zeigen, dass man es weiter gebracht hat als die Einwanderer-Großeltern.
Wer heute noch seine Wäsche draußen aufhängen muss, wer nur ein Auto hat oder gar keins, weil er zum Supermarkt zu Fuß geht oder mit dem Bus fährt, wer Vegetarier ist, wer Strom spart, der muss wohl am Hungertuch nagen … Er ist auf der Farm der armen Großeltern hängen geblieben, die auch nach Jahren in Amerika nur gebrochen Englisch sprachen und nie im Leben eine Fernsehsendung gesehen hatten; er klebt noch in der Bronx fest, wo die Wäsche von Fenster zu Fenster auf einer Leine quer über die Straße gespannt wurde, wo die Mama aus dem Fenster schrie: »Eric, Essen ist fertig!«, wo die Kinder auf der Straße spielten, wo der irische, jüdische, polnische, deutsche Akzent zum Schneiden dick war.
Das ist noch gar nicht so lange her. Man fuhr mit dem Bus, Zigaretten waren billig, eine eisgekühlte Cola war das Highlight des Tages, und es gab nicht jeden Tag Fleisch auf dem Teller.
Als Kind meckerte ich regelmäßig, wenn meine Mutter uns zum Abendessen Leber servierte. »Mom, du weißt, dass ich keine Leber mag!«
»Wieso denn? Ich denke, du liebst Leber. Das sagst du doch immer. Nur deshalb kommt sie auf den Tisch. Außerdem ist sie gesund.«
»Ein für alle Mal, ich hasse Leber.«
Doch die Woche drauf war die Leber wieder da.
Erst heute verstehe ich: Sie musste sechs Kinder mit dem Gehalt meines Vaters durchbringen. Und Innereien waren nun mal das billigste Fleisch im Supermarkt.
Meine Großeltern sprachen noch Schwedisch. Ich habe mich immer gewundert, warum meine Mutter sich nicht die Mühe machte, die Sprache, die sie als Kind lernte, beizubehalten. Es ist doch schade, wenn so was verloren geht. Jetzt weiß ich: In einer Fremdsprache zu parlieren war eine Eigenschaft der unteren Klassen – der Einwanderer.
Unsere Großeltern mussten noch das Fenster aufmachen, wenn es warm wurde. Sie mussten das Gemüse mit der Hand schnippeln. Sie mussten als Kind in die Schule laufen.
Wir müssen das nicht!
Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte jeder der Erste sein, der ein Tastentelefon besitzt; einen Farbfernseher; einen Kühlschrank, der Eiswürfel macht, einen Rasenmäher, auf dem man herumfahren kann. Und natürlich so ein mörderisches Schnipselding im Abfluss der Küchenspüle, das für uns den Biomüll zermalmt! Damit wir ihn nicht selbst aus der Spüle in den Müll werfen, sondern nur den Hahn aufdrehen müssen!
Das waren die Statussymbole während der Hochzeit der Mittelklasse, und heute, da sie langsam, aber kontinuierlich schrumpft, halten wir noch immer daran fest. Wir nennen es »convenience«: Wir lieben einfach Dinge, die das Leben leichter machen! Aber in Wahrheit brauchen wir sie, um zu zeigen, dass wir nicht mehr zur Generation von gestern gehören.
Gegenwärtig bejammert jeder den Untergang der Mittelklasse, als ob sie das letzte große Ideal Amerikas wäre, das Symbol einer besseren Welt, vergleichbar dem letzten Bison in der Prärie. Man vergisst dabei gerne, dass die ganzen amerikanischen Exzesse, das Kaufen, Fressen und Wegwerfen, mit diesen sauberen Durchschnittsbürgern angefangen hat.
Auch Fastfood ist ein Teil davon.
Das hört sich merkwürdig an, weil Fastfood mittlerweile höchstens noch ein Statussymbol für die untere Mittelklasse oder gar für die Typen darunter ist. Aber die Sache begann einst vielversprechend.
Erstens war es »convenient«, bequem und einfach. Das »fast« in Fastfood bezieht sich ja nicht auf das Verschlingen desselben, sondern auf die Wartezeit, bis die Mahlzeit serviert ist. Dass es billig war, kam uns ebenfalls entgegen. Plötzlich konnte jeder auswärts essen – auch eine Familie mit sechs Kindern, wie meine damals. Deshalb
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