Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
auf die unteren Klassen zu verlagern, und – verzeihen Sie den Kalauer – die Gesamtrate der Fettleibigkeit hat seit 12 Jahren nicht mehr zugenommen.
Inzwischen essen Amerikaner rund 12 Prozent weniger Fleisch als vor fünf Jahren, und immer mehr begehen den so genannten »meatless monday« – den »vegetarischen Montag«. Aktuell gibt es rund 30.000 Fitnessstudios in den USA mit etwa 42 Millionen Mitgliedern. Die Hälfte meiner Landsleute betreibt mindestens dreimal die Woche irgendeine Art von Sport, egal ob Basketball mit den Kollegen, Aerobic vor dem wohnzimmerwandgroßen Flatscreen-Fernseher oder Jogging im Park.
In der Mittelklasse wurde Fitness erst beliebt, als sie zum vermarkt- und erwerbbaren »Produkt« wurde. Das erklärt vielleicht die lustigen Zahlen, dass 26,5 Millionen Amerikaner mindestens 50-mal im Jahr laufen gehen – und im selben Zeitraum 39,8 Millionen Paar Laufschuhe kaufen. In den 70ern noch war bei McDonald’s zu speisen ein Zeichen, dass man als Karrieremensch keine Zeit für so triviale Dinge wie Essen hatte. Heute dagegen symbolisiert Schlankheit die Charaktereigenschaften, die zum Erfolg führen: vor allem eiserne Selbstdisziplin. Nicht umsonst ist der Begriff »lean and mean« (»fit und geht über Leichen«) die typische Umschreibung für jemanden, der auf Erfolg getrimmt ist. Ebenso wenig war es Zufall, dass sowohl George W. Bush als auch Barack Obama es zum Teil ihres Wahlkampfes machten, immer wieder zu betonen, dass sie jeden Tag fleißig trainierten. Inzwischen haben wir sogar eine First Lady, die jeden Morgen um vier Uhr aufsteht, um für ihre ärmellosen Roben zu trainieren, wie jeder weiß. Die muttchenhaften Barbara-Bush-Zeiten sind jedenfalls vorbei.
Ohne die »Unterstützung« der Mittelklasse schrumpft seither ganz langsam die Zahl der traditionellen Fastfood-Restaurants. Dafür legen das »casual dining« und die Subkategorie »fast casual« zu. Man kann den Trend mit »Edelfastfood« übersetzen – die deutsche Kette Vapiano ist ein gutes Beispiel. Inzwischen wird mehr Geld im Sektor »casual dining« verdient als im Bereich Fastfood. Und für den eiligen Gourmet-Apostel hat der Markt sich noch weiter aufgefächert: Heute gibt es Bio-Fastfood und Natural Fastfood und Veggie-Fastfood. Man braucht sich nur in einem durchschnittlichen amerikanischen Flughafen umzusehen: Neben McDonald’s und Burger King kriegt man Sushi und Tex-Mex, aber auch Vegetarisches, Gourmet-Salate, »Frozen Yoghurts« und frische Smoothies in allen Farben.
Während sich beim klassischen Flughafenkunden und dem Rest der Mittelklasse nach und nach ein modernes Fitness- und Gesundheitsbewusstsein durchsetzt, fangen die unteren Klassen gerade erst an, in dem Bereich aufzuholen:
Walmart bedient fast ein Drittel der US -Bevölkerung und ist mit 8.500 Läden und einem Umsatz von 422 Milliarden Dollar die größte Einzelhandelskette der Welt. Bei uns ist sie auch als Heimat des »white trash« bekannt. Populäre Seiten im Internet zeigen Fotos von den peinlichen »People of Walmart«: Senioren, die im Schlafanzug einkaufen schlurfen; aus dem Leim gegangene Herren, deren Hosen viel zu weit unten hängen und die sich trotzdem nach der Butter bücken; Autos auf dem Kundenparkplatz, deren Fenster aus Pappe bestehen – die bizarre, selbst gebastelte Mode, die bizarren Frisuren, die bizarren Menschen.
In den letzten zehn Jahren musste Walmart eine Menge Kritik wegen der Behandlung seiner Billiglohn-Mitarbeiter einstecken. Um sein Image aufzupolieren, hat sich das Unternehmen flugs zum Vorreiter des industriellen Umweltschutzes und der Bio-Bewegung gemausert. Seine riesige Lastwagenflotte fährt heute mit einem Viertel weniger Benzin als noch vor ein paar Jahren, und in den Filialen selbst wurde der Energieverbrauch um 30 Prozent gedrosselt. Auch das Angebot an (bezahlbaren) Bio-Lebensmitteln ist kontinuierlich gestiegen. Auf die Bitte von First Lady Michelle Obama hin versprach Walmart 2011, den Nährstoffgehalt seiner Lebensmittel über die nächsten fünf Jahre zu verbessern, einschließlich der Reduzierung von Zucker, Salz und Transfetten.
Gewerkschaften sind bei Walmart zwar nach wie vor unerwünscht, aber wenn überhaupt jemand in der Lage ist, die Gesundheitsgewohnheiten der Amerikaner zu ändern, würde ich eher auf eine mega-erfolgreiche, turbo-kapitalistische Über-Firma tippen als auf wäscheaufhängende Europäerinnen, baumumarmende Gutmenschen oder politisch korrekte Hipster, die kein
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