Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
beschimpften sie und forderten, sie nicht einzustellen. Politiker auf Wählerfang redeten sich richtig in Rage gegen den »Dreck aus Asien«. Ein junger Steuereintreiber schrieb in sein Tagebuch, wie viel Spaß es mache, die Chinesen zu verprügeln, ihnen die Haarschöpfe abzuschneiden, einen sogar zu erschießen: »Had a great time.«
Ein englisch-chinesischer Sprachführer von 1867 informierte englische Muttersprachler, wie man auf Chinesisch solche nützlichen Sätze sagt wie: »Kannst du mir einen guten Knaben als Diener besorgen? Er will acht Dollar im Monat? Er soll sich mit sechs Dollar zufriedengeben!« Sätze, die fehlen, sind beispielsweise: »Wie geht es Ihnen?« oder Höflichkeiten wie: »Danke«. In der zweiten Hälfte des Buches wird der Spieß umgedreht: Hier konnten Chinesen englische Sätze lernen, die ihnen im Umgang mit Weißen vielleicht von Nutzen sein würden. Darunter: »Bitte nicht schlagen«, »Er zahlt mir meinen Lohn nicht« und: »Der Mann starb durch Erfrieren im Schnee.«
Allein im Jahr 1862 wurden 88 Chinesen ermordet. In den 1870ern verbannte man sie schließlich in Ghettos – der Ursprung der heutigen Chinatowns. Der Hass wurde so groß, dass der Kongress 1882 ein Gesetz erließ, das jede weitere Immigration aus China unterband. Chinesen mussten Sondersteuern zahlen, durften weder weiße Frauen heiraten noch ihre eigenen Frauen aus China nachkommen lassen und waren von der amerikanischen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen.
Einmal dachten sie sich, jetzt reicht’s, wir wollen auch mal richtig abräumen, so wie die Weißen das tun, und traten in einen Streik. Sie forderten ganze 40 Dollar statt 35 im Monat. Verwirrung brach aus. Es war eine bizarre Aktion. Die Chinesen wurden ein wenig ausgehungert, aber nicht angegriffen. Man versuchte, sie durch Schwarze zu ersetzen, aber sie waren unersetzbar. Die Chinesen waren einfach die wichtigsten Arbeiter, die man hatte. Trotzdem wollten die Weißen keinen Cent mehr bezahlen. Nicht einen. Endlich gaben die Chinesen klein bei und gingen unverrichteter Dinge wieder an die Arbeit.
Es war eine seltsame Episode in der Geschichte des Kapitalismus. Theoretisch soll der Kapitalismus ja so funktionieren: Wer der bessere Arbeiter ist, kann einen höheren Lohn verlangen und bekommt diesen auch. Denn seine Arbeit ist mehr wert. Hier aber war es umgekehrt: Die Chinesen waren besser als alle anderen, haben aber weniger dafür bekommen, und die Weißen waren eher bereit, sie gehen zu lassen, als ihnen einen anständigen Lohn zu bezahlen.
Rassismus ist eben stärker als die Marktgesetze.
Heute machen Asiaten insgesamt nur rund fünf Prozent der amerikanischen Bevölkerung aus, aber sie sind überall präsent: in ihren vielen Chinatowns, in ihren Restaurants, in den Medien.
Ganz anders die Deutschen:
Rund 51 Millionen Amerikaner haben einen deutschen Migrationshintergrund – 17 Prozent aller Bürger. Das macht die Deutschen zu einer der größten ethnischen Gruppen in den USA , vielleicht zur größten überhaupt.
Aber die Amerikaner wissen kaum noch, dass es mal eine deutsche Gemeinde gab.
Niemand feiert sie als ethnische Minderheit, niemand pflegt die alten Traditionen. Die Deutschen sind inzwischen so gut integriert, dass man gar nicht mehr weiß, dass sie mal da waren. Amerika ist voller Chinatowns, Greektowns, Japantowns, Little Italys, Little Havanas, Little Indias, Little Manilas und Little Portugals, wo man noch Fremdsprachen auf der Straße hört und in den Restaurants echte Spezialitäten aus den jeweiligen Heimatländern serviert bekommt.
Little Germanys, wo Touristen auf eine anständige Bratwurst vorbeischauen und die deutsche Sprache auf der Straße hören können, gibt es nicht. Es gibt gerade mal so etwas wie die »Steuben-Parade« in New York oder Chicago, aber keine landesweit tätigen Organisationen, die für die Rechte der Deutschen kämpfen, keine nostalgisch-verklärenden Bücher oder Filme über die harte deutsch-amerikanische Kindheit auf den Straßen von Kansas City. Die Iren haben das Kleeblatt, den St. Patrick’s Day und die Polizei; die Italiener haben Pizza, die italienische Mama und die Mafia, aber abgesehen von ein paar »Oktober Fests« in Minnesota und ein paar historischen Museen in Texas besitzen die Deutschen kein Profil mehr.
Sie sind ja aber noch da, die Nachkommen der Deutschen. Sie leben in Pennsylvania, Chicago, Missouri, Minnesota und Texas, sie hören Country Music, machen gute Barbecues, wählen George
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