Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
Bedenken, im Krieg der neuen Heimat treu zu sein, aber die Annahme der neuen Sprache, das war etwas anderes.«
»Gebt mir eure Müden, eure Armen, eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren, den elenden Unrat eurer gedrängten Küsten, schickt sie mir, die Heimatlosen, vom Sturme Getriebenen, hoch halt ich mein Licht am gold’nen Tore!«
So steht es geschrieben auf einer Tafel an der Freiheitsstatue im Hafen von New York. Und wir meinen das auch ehrlich. Wir Amerikaner stammen zu 99 Prozent von Migranten ab und identifizieren uns mit ihnen. In kaum einem anderen Land werden rund um die Abendbrottische so viele Heldengeschichten von eingewanderten Vorfahren erzählt, von ihren Entbehrungen und wie sie sich am Ende durchgebissen haben. Selbst unsere Kinofilme kreisen immer wieder um Immigration: Der Pate , Titanic und Gran Torino scheinen von Verbrechen, Liebe oder Bandenkriegen zu handeln, in Wirklichkeit sind es Einwanderer-Geschichten. Ellis Island – wo zwischen 1892 und 1954 ein Drittel aller Vorfahren der gegenwärtig lebenden Amerikaner ankam – ist heute noch eine der beliebtesten Touristenattraktionen New Yorks. Wir feiern unsere Migranten.
Und wir hassen sie.
Denn jede neue Einwanderungswelle konkurriert mit den schon Eingewanderten. Sie wollen ja das Gleiche, was wir auch wollen, aber wir waren zuerst da. Und täglich kommen mehr von unserer Sorte! Also müssen wir uns wehren. Und das tun wir auch.
Rein statistisch kann man nicht sagen, dass es bei uns fremdenfeindlicher zugeht als in anderen Nationen, aber in einem von Immigranten gegründeten Land wirkt der Rassismus von Migranten gegenüber Migranten schon wie eine Art Kannibalismus.
Laut der Anti-Rassismus-Gruppe »Southern Poverty Law Center« gibt es 926 verschiedene aktive rassistische Vereinigungen bzw. so genannte »hate groups« in den USA . Kennen Sie zum Beispiel »La Voz de Aztlan«, den antisemitischen Internet-Nachrichtendienst für Lateinamerikaner? Oder den »Pioneer Fund«, der sich auf die Erforschung der Überlegenheit der weißen Rasse und der IQ -Unterschiede bei verschiedenen Rassen konzentriert? Oder die »League of the South«, die den im Bürgerkrieg untergegangenen separatistischen Südstaatenbund »Confederacy« wieder aufleben lassen möchte?
Selbstverständlich ist in Amerika auch der Rassismus demokratisch: Auch Minderheiten dürfen gegenüber der Mehrheit Rassismus an den Tag legen. Die »New Black Panther Party« ist stark anti-weiß eingestellt und ihr ehemaliger Führer Khalid Abdul Muhammad soll einmal gesagt haben: »Es gibt keine guten Weißen; wenn du einen findest, töte ihn schnell, bevor er sich zurückverwandelt.« Die »Jewish Defense League« ist vordergründig eine Art Selbstschutzverein gegen Antisemitismus, wird aber als Hass-Gruppe eingestuft, die Terror gegen Moslems und andere unterstützt. Als ein Schütze in Hebron 29 Palästinenser beim Gebet erschoss, verteidigte ihn die League auf ihrer Website.
Heute aber entflammen die meisten Differenzen rund um die Latinos.
Noch stammen fast 64 Prozent der Amerikaner von weißen europäischen Vorfahren ab. Danach folgt mit über 16 Prozent die größte Minderheit Amerikas: die Latinos (Einwanderer aus Mittel- und Südamerika nennt man »Hispanics« oder »Latinos«, um sie als Migrationsgruppe einordnen zu können). In 40 Jahren wird das anders sein: der blütenweiß-europäische Anteil wird nur noch 46 Prozent betragen; die Latinos kommen hingegen auf 30 Prozent. Es findet also gerade eine »Latinisierung« Amerikas statt.
Als ich erfuhr, dass die Weißen nach so langer Zeit in Amerika bald nur noch die Hälfte der Bevölkerung ausmachen werden, ging mir ein Stich durchs Herz. Da geht etwas verloren, dachte ich. Das genuin Amerikanische. Das wird dann nicht mehr das Amerika sein, das ich kenne.
Dann stellte ich mir eine Latino-Familie in 50 Jahren vor. Sie würde wahrscheinlich wenig gemeinsam haben mit den Latino-Familien von heute. Sie würde zur Mittelklasse zählen. Die Kinder würden vom College für die Feiertage nach Hause kommen. Und die Eltern würden Heldengeschichten von ihren Einwanderer-Eltern erzählen: Wie sie illegal bei Nacht und Nebel über die Grenze kamen, welche Strapazen sie auf sich nahmen, als sie Orangen pflückten in Florida, Bäume fällten in Oregon und Villen schrubbten in Kalifornien, wie sie kämpften, um voranzukommen, und wie sie endlich die Familie zu sich holen konnten. Das wird eine stolze Geschichte sein,
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