Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
nicht einmal einen Ausweis besitzen. Und die wenigsten Amerikaner haben einen Pass.
Es ist schwierig, aber möglich, sein ganzes Leben in Amerika ohne Ausweis zu verbringen. Die meisten benutzen einfach den Führerschein als Ausweis. Wir haben auch kein Einwohnermeldeamt und keine Meldepflicht. So etwas widerspricht völlig unserer Vorstellung vom Zuständigkeitsbereich des Staates: Die Obrigkeit hat doch kein Recht zu wissen, wo wir wohnen, wo kämen wir denn da hin?
Wir akzeptieren, dass die Homeland Security unseren Namen speichert, weil uns das vor Terrorismus schützen soll. Wir sind bereit, uns von der Social Security eine Nummer geben zu lassen, die uns das ganze Leben lang begleitet. Aber unsere Adresse melden zu müssen, wenn wir umziehen – das wäre ein Grund zur Revolution.
Die Polizei hatte zwar also kein Recht, den US -Bürger Antonio Montejano festzuhalten, aber die Beamten hörten eben nicht auf ihn, als er ihnen versicherte, er sei ein solcher. Er kam erst frei, nachdem Bürgerrechtler seine Geburtsurkunde fanden und diese der Polizei vorlegten.
All das ist aber nichts gegen das, was wir den Chinesen angetan haben.
Als 1849 der Goldrausch in Kalifornien ausbrach, waren die chinesischen Händler und Seeleute schon lange da, denn sie waren bereits mit den Spaniern gekommen. Sie dienten als willkommene Anlaufstelle für weitere Chinesen, die den Unruhen zu Hause entkommen oder am Goldrausch teilhaben wollten. Die chinesische Bevölkerung wuchs schneller an als jede andere Gruppe: 1848 gab es rund 300 Chinesen in Kalifornien, bis 1852 waren es schon 25.000 – ein Viertel der kalifornischen Einwohnerschaft.
Als die Central Pacific Railroad Company 1863 mit dem Bau der Eisenbahn von West nach Ost begann, benötigte sie 5.000 Arbeiter. Etwa 600 standen aber nur zur Verfügung. Also wurde vorgeschlagen, Chinesen zu rekrutieren. Unbeeindruckt von der Skepsis seiner Mitarbeiter soll Charles Crocker, der den Bau beaufsichtigte, gesagt haben: »Sie bauten doch die Große Mauer, oder?«
Zuerst machten die Chinesen nur die Drecksarbeit. Dann machten sie die ganze Arbeit.
Im schwierigen Gelände des Hochgebirges der Sierra Mountains arbeiteten sie mit Techniken, die sie aus Fernost mitgebracht hatten. Selbst in harten Wintern ließen sie sich in Körben an Seilen die Felswand hinab, meißelten Löcher in den Granit und legten das Dynamit hinein. Während die meisten Arbeiter an der Oststrecke der Eisenbahn Iren waren, machten bei der Central Pacific die Chinesen zwischen 75 und 90 Prozent der Arbeiterschaft aus – bis zu 12.000 waren dabei.
Die Chinesen waren ganz klar die besseren Arbeiter. Sie fehlten weniger, wurden nicht so oft krank, arbeiteten länger, hatten keine Angst vor engen Höhlen oder Höhen, waren besonders gut im Umgang mit Sprengstoffen und konnten einfach mehr.
Und pflegeleicht waren sie auch noch. Sie hatten kein Problem damit, zu zwölft in kleinen Zelten zu leben. Während die Iren von der Firma verköstigt wurden, mussten die Chinesen ihr Essen selbst kaufen und kochen, und so ernährten sie sich gesünder. Über Chinaläden in San Francisco bekamen sie ein breites Angebot an frischen und getrockneten Meeresfrüchten und Algen, Obst und sehr viel Gemüse. Während die Amerikaner das Wasser aus den Bächen und Seen tranken und prompt von Durchfall heimgesucht wurden, tranken die Chinesen ausschließlich Tee. Sie wuschen sich täglich, während die Weißen dies vermieden wie die Pest, wahrscheinlich, weil sich sowieso keine Frauen in der Gegend herumtrieben.
Immer wieder wurde festgestellt, dass die Weißen gut daran täten, sich mal ein Beispiel an den Chinesen zu nehmen. »Sie fangen sofort mit der Arbeit an, wenn das Signal ertönt, sie sind ehrlich und arbeiten fleißig, bis die Zeit um ist. Sie trinken keinen Whiskey, werden selten in Schlägereien verwickelt, rauchen zwar sonntags, an ihrem freien Tag, Opium, rollen aber nicht in der Gosse herum wie die Schweine, sondern kommen montags pünktlich zur Arbeit«, schrieb ein Pfarrer, der die Unterkünfte der Eisenbahn-Arbeiter besuchte. »Sie meckern nicht, machen keinen Ärger und tun alles, was andere nicht wollen.«
Trotzdem bekamen sie weniger Lohn als die Weißen.
Obwohl es in Kalifornien von allen möglichen Nationalitäten wimmelte – wie Mexikaner, Spanier, Engländer, Irländer, Russen –, waren es vor allem die Chinesen, die der Allgemeinheit suspekt waren. Zeitungen, Kirchen, Politiker und Gewerkschaften
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