Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
W. Bush und ärgern sich darüber, dass die einströmenden Mexikaner sich nicht integrieren lassen. Sie sind integriert. Vielleicht zu gut.
In Amerika gibt es zwei Arten von Integration: die, die gelingt, wie im Falle der Deutschen, deren Kultur in der grauen Masse untergegangen ist; und die, die nicht gelingt und nur zu Streit, Unruhe, gegenseitigen Vorwürfen und Diskriminierung führt, wie in den allermeisten anderen Fällen.
Ich verrate Ihnen mal ein Geheimnis: Tief im Herzen lieben wir Amerikaner die zweite Art – die herrlich misslungene Integration.
Wir wollen gar nicht wirklich eine harmonische Integrationsgesellschaft werden, sondern viel lieber ein klappriger Schmelztiegel bleiben, der immer mal wieder mit Geblubber überkocht, voll verschiedenstem bunten Ausländerpack, das nebeneinander her lebt und sich mit Ach und Krach gerade mal so toleriert. E basta!
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Wir sind eine gespaltene Nation
D as Schöne an den USA ist: Man darf dort Sätze von sich geben, die man sonst nirgendwo sagen darf.
Zum Beispiel: »Nur bei uns kriegt ein Mörder von kleinen Kindern noch, was er verdient: die Todesstrafe.«
Oder: »Die Waffenlobby ist die einzige Institution, die Amerika noch versteht.«
Auch kein Problem: »Ja klar, eine flächendeckende Gesundheitsvorsorge einzuführen ist ein tolle Sache – wenn Sie zufällig Hitler sind.«
Ebenfalls drin: »Ich bin kein Rassist, aber seien wir ehrlich: Dass so viele Schwarze in Ghettos leben, kann nur ihre eigene Schuld sein.«
Die Kunst ist allerdings zu wissen, in welchen Teilen der USA man welche Sätze sagen darf und wo man dafür eins auf die Schnauze kriegt.
Denn nicht alle Amerikaner sind rassistische, mordlüsterne Waffennarren. Laut Umfragen hegen 60 Prozent der nicht-schwarzen Amerikaner keine Vorurteile gegenüber Schwarzen; 49 Prozent sind gegen Waffen und für härtere Waffengesetze; 38 Prozent wollen die Todesstrafe abschaffen, und 64 Prozent glauben, jeder habe ein Recht auf eine Krankenversicherung.
Das ist der landesweite Durchschnitt. In bestimmten Regionen aber neigt man stärker zur einen oder anderen Seite: Äußern Sie solche Sätze mal im Nordosten – im gutbürgerlichen New York zum Beispiel –, und Sie haben ganz schnell keinen Gesprächspartner mehr. Wer zu rassistischen Tiraden neigt, ist im Süden, zum Beispiel in Mississippi, am besten aufgehoben. Für Waffennarren ist der Westen da – Kansas oder Iowa.
Es gibt natürlich Überschneidungen: San Francisco ist genauso bürgerlich wie New York, und auch Atlanta kann ganz schön politisch korrekt sein – aber als Faustregel kann man schon sagen: Amerika besteht geographisch wie auch geistig aus drei Regionen: dem Nordosten, dem Süden und dem Westen.
Stellen Sie sich die USA vor wie die Ring-Parabel von Lessing. Sie kennen die Geschichte: In »Nathan der Weise« wird an zentraler Stelle das Gleichnis vom gütigen Vater – Gott – erzählt, der seine drei Söhne so sehr liebt, dass er das wertvollste Familienerbstück, einen Ring, als Zeichen seiner Liebe allen dreien schenken will. Also fertigt er zwei Kopien an und erzählt jedem der Söhne, sein Ring sei der echte. Die Ringe stehen für die drei großen Weltreligionen, und die Frage lautet: Welche ist die einzig wahre? Als der Streit über den richtigen Ring vor Gericht kommt, stellt der Richter fest, dass es nicht mehr möglich ist, den Originalring zu identifizieren, und gibt den Rat: Jeder solle einfach von sich glauben, er sei dem Vater der liebste Sohn gewesen, und nicht zu lange darüber nachdenken. In Amerika heißen die Söhne: Nordosten, Süden und Westen. Und jeder der drei hält sich für den einzig wahren Amerikaner.
Wenn Europäer in den Nordosten, nach New York oder Boston kommen, fühlen sie sich meist sofort wohl: Diese Städte haben irgendwie ein Zentrum, man geht noch zu Fuß dort oder benutzt Taxis oder gar öffentliche Verkehrsmittel. Die Gebäude sind älter, sie atmen Geschichte, überhaupt, das sind Städte, die über die Zeit in aller Ruhe gewachsen sind. Wie zu Hause in Europa.
Wir Amerikaner sind da anders: Nicht, dass wir keine Ehrfurcht vor dem Norden haben … aber nur wenige von uns fühlen sich dort zu Hause.
In New York und Washington, an der ganzen Atlantikküste mit ihren Universitäten Harvard und Yale, ist man bürgerlich, sophisticated, kosmopolitisch. Man kann es auch anders ausdrücken: eingebildet, elitär und arrogant.
Und nicht nur das: Erfolgreich sind sie da auch noch. Während man
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