Planeten 03 - Venus
ich. Schließlich hatte er mir sein Blut gespendet, und ich befürchtete, dass seine Krankheit sich auf mich übertragen hatte.
Fuchs’ Miene wechselte zu Verachtung, oder vielleicht war es auch Ekel. Er schüttelte den Kopf.
»Nicht von den Transfusionen«, sagte Marguerite. »Es wird nicht durch Blut übertragen.«
»Aber hilft das Medikament ihm denn nicht?«, fragte ich.
»Es hilft ihm schon, aber nicht genug, um den Stress zu neutralisieren, unter dem er steht.«
»Stress?«
»Glaubst du vielleicht, das Steuern dieses Schiffs sei nicht anstrengend?«, fragte sie.
»Glaubst du, der Umgang mit dieser Besatzung sei leicht?«
»Nicht der Stress«, nuschelte Fuchs. »Die Wut. Wie stoppt man ... die Wut? In mir ... jede Minute ... jeden Tag...«
»Wut?«, fragte ich.
»Medikamente ... helfen da nicht«, sagte er matt. »Der Zorn ... der Hass ... selbst meine Träume ... nichts hilft dagegen. Nichts.«
Die Wut. Dieser Zorn, der in ihm wühlte, war es, was Fuchs antrieb. Der Hass auf meinen Vater. Dieser lodernde und ohnmächtige Zorn brannte in ihm wie diese rotglühenden Felsen der Hölle unter uns, glühte, schwelte und wartete nur darauf, sich in einem Schwall alles verzehrender Rache zu entladen.
Jede Minute, hatte er gesagt. Jede Stunde eines jeden Tages. All die Jahre hatte dieser wilde Zorn in ihm gebrannt, ihn verzehrt und sein Leben, sein ganzes Selbst, jeden Moment des Wachens und Schlafens zu einem reißenden Strom aus Hass und unbezähmbarer Wut anschwellen lassen.
Es brachte ihn um, jagte den Blutdruck gnadenlos in die Höhe bis zu dem Punkt, wo die mikroskopischen Blutgefäße im Gehirn platzten. Er schien immer alles um sich herum unter Kontrolle zu haben. Aber sich selbst hatte er nicht unter Kontrolle. Er vermochte den Zorn zu kaschieren, unter Verschluss zu halten, doch nun sah ich, welchen Preis er dafür zahlte.
»Es ist ein Teufelskreis«, fuhr Marguerite fort, als sie eine Kanüle von der Spritze abzog und eine neue aufzog. »Weil das Medikament immer wirkungsloser wird, erhöht er die Dosis. Aber die Ursache des Bluthochdrucks besteht noch immer! Die Belastung nimmt zu, und damit die Schwere der Anfälle.«
Er erlitt Schlaganfälle. Dieser zähe, mit harter Hand regierende Kapitän litt an einer Störung der Blutzufuhr zum Gehirn. Ich starrte ihn in neu erwachter Ehrfurcht an. Ein normaler Mensch wäre mindestens für ein paar Tage außer Gefecht gesetzt gewesen, selbst bei einem leichten Schlaganfall. Ich fragte mich, was für ein Gefühl das wäre und wie ich reagieren würde.
Ich wollte es überhaupt nicht wissen.
»Was unternimmst du als nächstes?«, fragte ich.
Sie deutete mit einem Nicken auf das kleine Display, während sie die Spritze vorbereitete. »Erst VEWF, um das Wachstum der Blutgefäße zu stimulieren und an-schließend eine Injektion neuronaler Stammzellen, um das geschädigte Nervengewebe zu regenerieren.«
Ich hatte schon genug dumme Fragen gestellt, sagte ich mir. Später fand ich heraus, dass der vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktor den Körper zur Bildung neuer Blutgefäße anregt, um die Blutzirkulation um das Gefäß zu leiten, das durch die Verstopfung beschädigt wurde. Stammzellen hatten natürlich das Potential, um jede Art von Körperzelle zu differenzieren: In diesem Fall Gehirnneuronen, um die durch den Schlaganfall geschädigten Neuronen zu ersetzen.
»Wenn wir die erforderliche medizinische Ausrüstung hätten, könnten wir ihn behandeln und den Blutdruck auf den Normalwert runterbringen«, murmelte Marguerite, als sie Fuchs die Spritze setzte. »Aber hier an Bord des Schiffs ...«
»Hört auf, in der dritten Person über mich zu reden«, knurrte Fuchs.
Wir saßen für eine Weile da und schauten ihn stumm an.
Vage erinnerte ich mich, dass Hypertonie die Blutgefäße verdickt und spröde macht, sodass der Blutdruck immer weiter ansteigt. Ich erinnerte mich auch, dass dadurch das Risiko eines Herzinfarkts, anderer Folgeerkrankungen und sogar eines Schlaganfalls erhöht wird. Wenn ein leichter Schlaganfall rechtzeitig behandelt wird, ist es möglich, dauerhafte Gehirnschäden zu vermeiden. Daran glaubte ich mich jedenfalls zu erinnern.
Schließlich gelang es Fuchs mit Mühe, sich aufzusetzen. Marguerite wollte ihn mit sanfter Gewalt wieder auf die Liege drücken, aber er schob ihre Hände weg.
»Ich bin wieder in Ordnung«, sagte er. Die Stimme klang schon kräftiger und artikulierter. Sein Gesicht hatte die ursprüngliche Farbe wieder
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