Planeten 03 - Venus
schwanken. Im ersten Moment glaubte ich, wieder ohnmächtig zu werden, bis ich mich daran erinnerte, dass ich mich im Heck der Gondel befand und dass es die Gondel selbst war, die unter der Gashülle pendelte. Irgendwo schrillte eine Alarmsirene.
Ich sprang aus dem Bett, froh, dass Waller mir nicht den Overall ausgezogen hatte. Der Boden unter mir neigte sich erneut und wies diesmal nach unten wie ein Flugzeug, das in den Sturzflug ging. Irgendetwas schlug hinter mir auf den Boden.
›DIE GANZE BESATZUNG SICHERHEITSGURTE ANLEGEN!‹, blökte das Interkom. Das war leichter gesagt als getan. Ich musste mich am Bett festhalten, um nicht gegen das Schott des Krankenreviers zu prallen.
Das Schott schwang auf und schlug gegen die Wand. Dr. Waller erschien in der Öffnung. Die blutunterlaufenen Augen waren vor Schreck geweitet.
»Wir stürzen ab!«, schrie er. »Die Gashülle ist kollabiert!«
ABSTURZ
Für eine Zeit, die mir wie eine halbe Ewigkeit erschien, hing ich nur da und klammerte mich ans Bett, während in der ganzen Gondel die Alarmsirenen tröteten und schrillten.
Ich sah, dass Waller sich mit beiden Händen am Lukenrahmen festhielt. In der Magengrube spürte ich, wie das Schiff absackte.
›DIE GANZE BESATZUNG ZUR LUFTSCHLEUSE!‹, plärrte das Interkom. ›SOFORT DIE RAUMANZÜGE ANLEGEN!‹
Das war Duchamps Stimme, scharf wie ein Skalpell. Sie klang nicht panisch, aber doch so dringlich, dass ich darauf reagierte.
»Kommen Sie«, sagte ich zu Waller, als ich an ihm vorbei taumelte. Er wirkte wie erstarrt; der Mund stand offen und die Augen quollen ihm aus den Höhlen. Er war
nicht bereit oder imstande, den Lukenrahmen loszulassen und sich zur Luftschleuse zu begeben.
Ich packte ihn an der Schulter und rüttelte ihn.
»Kommen Sie!«, schrie ich ihn an. »Sie haben den Captain gehört. Sie hat ›alle‹ gesagt.«
»Aber ich bekomme im Raumanzug keine Luft!«, sagte er mit weinerlicher Stimme.
»Als ich ihn zuletzt getragen hatte, wäre ich fast erstickt!«
»Das spielt jetzt keine Rolle«, sagte ich und riss ihn los. »Kommen Sie mit mir. Ich zeige Ihnen, wie es geht.«
Das Schiff schien sich wieder zu stabilisieren, als wir durch den Gang taumelten. Alle paar Meter mussten wir die Schotts manuell öffnen. Sie schlugen automatisch hinter uns zu. Wenigstens waren die Sirenen abgestellt worden; der Lärm war so grauenhaft, dass ich beinahe Herzflimmern bekam.
Rodriguez war schon an der Schleuse und half Riza Kolodny in den Anzug. Die beiden anderen Techniker hatten sich hinter ihn gequetscht und legten die Anzüge ebenfalls an.
»Wo ist Marguerite?«, fragte ich ihn.
»Ich weiß nicht. Vielleicht auf der Brücke bei ihrer Mutter«, sagte er, ohne von der Arbeit aufzuschauen.
»Die Anzüge sind alle beschädigt«, sagte ich und zeigte ihm den Ärmel meines Anzugs.
Das Ellbogengelenk war sichtlich geschwärzt, als ob es von einem Schweißbrenner angesengt worden wäre.
»Wollen Sie vielleicht ohne Anzug rausgehen?«, fragte Rodriguez barsch.
Waller stöhnte. Ich glaubte schon, er würde in Ohnmacht fallen, bis ich einen sich vergrößernden Fleck in der Leistengegend des Overalls sah. Der Doktor hatte sich nassgemacht.
»Was ist überhaupt passiert?«, fragte ich. »Was werden wir unternehmen?«
»Die verdammte Hülle ist aufgerissen«, sagte Rodriguez, der noch immer Rizas Rückentornister überprüfte. »Wir verlieren Auftrieb. Das Schiff lässt sich nicht mehr trimmen.«
»Was ...?«
»Wir wechseln ins Landemodul über und verwenden es im Rettungskapsel-Modus.
Wir gehen in den Orbit und hoffen, dass die Truax uns findet.«
»Und wozu brauchen wir dann die Anzüge?«
»Der ganze vordere Abschnitt der Gondel leckt wie ein verdammtes Sieb«, sagte Rodriguez mit einem Anflug von Angst in der angespannten Stimme. »Wenn das Leck sich bis zur Brücke ausweitet, bevor wir alle in der Kapsel haben ...«
Er musste den Satz nicht beenden. Ich wusste auch so Bescheid.
Ich half Dr. Waller in den Anzug und legte dann meinen an. Das Schiff sank und stieg im Wechsel, so dass sich mir fast der Magen umstülpte. Ich kam mir vor wie in einem Aufzug, der nicht wusste, in welche Richtung er fahren sollte. Waller schien unter Schock zu stehen und war kaum fähig, Arme und Beine zu bewegen. Sein Blick war leer und der Mund offen wie bei einem Fisch auf dem Trockenen. Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, dass er den einzigen unbeschädigten Anzug an Bord hatte; alle anderen waren undicht
Weitere Kostenlose Bücher