Planeten 03 - Venus
halbe Stunde in der Hülle und wurden anschließend von Rodriguez und Marguerite abgelöst. Duchamp hätte am liebsten die ganze Besatzung mitgenommen und die Arbeit sozusagen in einem Aufwasch erledigt – allerdings hatten wir nur zwei Spritzpistolen an Bord.
So arbeitete die Besatzung in Zweiergruppen stundenlang daran, die Lecks in der Gashülle abzudichten. Erschöpft wie ich war, ging ich in die zweite Runde, diesmal mit Sakamoto. Rodriguez ging sogar dreimal raus. Genauso wie Yeats, die ständig am Meckern war.
Nachdem meine zweite Schicht vorbei war, wäre ich in der Luftschleuse beinahe zusammengebrochen. Ich war so kaputt, dass ich vergaß, mich aus dem Anzug zu schälen. Ich nahm nur den Helm ab und plumpste auf den Boden. Nicht einmal den Rückentornister legte ich ab. Es war auch nicht nur die körperliche Anstrengung, obwohl ich jeden einzelnen Muskel im Körper spürte. Es war die psychische Belastung, das Bewusstsein, dass das Schiff in Schwierigkeiten steckte, in großen Schwierigkeiten, und dass wir alle uns in Gefahr befanden.
Sakamoto stand über mir. Er nahm den Helm ab und bedachte mich mit einem seltenen Lächeln. »Arbeit ist der Fluch des trinkenden Menschen«, konstatierte er und entledigte sich des Anzugs. Meine Verwunderung wäre nicht größer gewesen, wenn er Flügel entfaltet und zur Erde zurückgeflogen wäre.
Schließlich hatte ich es überstanden. Ich war gerade in die Koje gekrochen, um mir eine Enzymspritze in den Arm zu setzen, als der Interkom, der knapp sechs Zentimeter von meinem Ohr entfernt war, blökte: »MR. HUMPHRIES BITTE AUF DIE BRÜCKE.«
Mit verquollenen Augen setzte ich mir die Spritze, rutschte aus der Koje und ging auf Strümpfen zur Brücke, ohne mir die Mühe zu machen, die Falten aus dem Overall zu streichen. Aus einem Winkel des Bewusstseins erreichte mich die Meldung, dass ich verschwitzt und alles andere als wohlriechend war, doch das kratzte mich nicht.
Duchamp saß auf dem Kommandantensitz und wirkte so kratzbürstig wie immer.
Rodriguez musste eine Mütze voll Schlaf nehmen. Yeats saß an der Kommunikationskonsole.
»Sagen Sie’s ihm, Willa«, forderte Duchamp Yeats auf, nachdem ich durch die Luke geschlüpft war.
»Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht«, sagte Yeats, obwohl sie gar nicht zum Scherzen aufgelegt schien. »Welche möchten Sie zuerst hören?«
»Die gute Nachricht«, sagte ich unwirsch.
»Wir haben das Leck abgedichtet«, sagte sie. Aber ihre Miene zeigte keinerlei freudige Regung. »Das Schiff hat wieder Trimmung, und wir sind aus den Wolken in die klare Luft vorgestoßen.«
»Wir pumpen die Luft ab, die wir während des Abstiegs durch die Wolkendecke aufgenommen haben«, fügte Duchamp hinzu, »und tauschen sie durch die Umgebungsluft aus.«
Ich nickte. »Gut.«
»Und nun die schlechte Nachricht«, sagte Yeats. »Unsere Anzüge sind allesamt beschädigt, zumindest leicht. Keiner von ihnen würde eine Sicherheitsprüfung bestehen. Sie sind alle undicht.«
»Das heißt, dass wir keine EVAs mehr durchführen können?«
»Nicht bis wir sie repariert haben«, sagte Yeats düster.
»In Ordnung«, erwiderte ich. »Es hätte schlimmer kommen können.«
»Die Frage ist nur«, sagte Duchamps, »ob in den unteren Wolkenschichten noch mehr Mikroben lauern?«
»Es wird verdammt heiß dort unten«, sagte ich. »Mehr als zweihundert Grad. Und das fünfunddreißig Kilometer über dem Boden.«
»Dann glauben Sie also nicht, dass die Mikroben uns noch Probleme bereiten werden?«
»Wir sollten Marguerite fragen. Sie ist die Biologin.«
Duchamp nickte. »Ich habe sie schon gefragt. Sie sagte, sie wüsste es nicht. Niemand weiß es.«
»Leben ist bei so hohen Temperaturen ausgeschlossen!«, hörte ich mich sagen. »An der Oberfläche erreichen die Temperaturen vierhundert Grad und mehr.«
»Ich bin mir nicht sicher«, murmelte sie.
Nachdem sie die Existenz der Mikroben erst nicht zur Kenntnis nehmen wollte, hatte der Kapitän eine Kehrtwende vollzogen und witterte hinter jeder Wolkenbank Bestien, die nur darauf warteten, uns zu verschlingen.
Dann kam mir ein anderer Gedanke. »Wo steckt eigentlich Fuchs? Ist er schon in die zweite Wolkenbank abgestiegen?«
»Nein. Nach der letzten Mitteilung der IAA scheint er genau wie wir in dieser klaren Luftschicht zu schweben.«
»Ich frage mich, ob er ...« Duchamp und die Brücke verschwammen, als ob jemand eine Kameralinse umgedreht hätte. Ich bekam weiche Knie und musste mich am
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