Planetenwanderer: Roman (German Edition)

und Befehle gab und die anderen Offiziere – es gab neun weitere Arbeitsstationen auf der Oberbrücke und zwölf auf der unteren Kontrollebene – das ganze Programmieren und Knöpfedrücken erledigten. Da sie nicht die Weitsicht besessen hatte, mit neun Gehilfen an Bord gekommen zu sein, war Rica gezwungen, auf der gesamten Brücke hin und her zu laufen, von einer Station zur nächsten, um die Arche wieder in Gang zu bekommen.
    Sie brauchte eine Weile – es war eine ermüdende Arbeit –, und wenn sie bestimmte Befehle an der falschen Station eingab, passierte gar nichts. Aber langsam, Stück für Stück, bekam sie den Dreh heraus. Zumindest kam es ihr so vor, als ob sie Fortschritte machte.
    Und sie war in Sicherheit. Das war ihr erstes Ziel gewesen, den Fahrstuhl so zu blockieren, dass niemand anderes nach oben kommen und sie überraschen konnte. Solange sie hier war und die anderen dort unten, behielt Rica Morgenstern die Trumpfkarte in der Hand. Jede Sektion des Schiffs hatte seine eigene Nebenstation, und jede spezielle Funktion, von der Verteidigung über das Klonen zum Antrieb oder der Datenspeicherung, hatte seinen eigenen Subnexus und Kommandoposten, aber von hier oben konnte sie alles überblicken und jeden Befehl widerrufen, den jemand anderes eingeben wollte. Wenn sie es bemerkte. Und wenn sie herausfand, wie. Das war das Problem. Sie konnte jeweils nur eine Station besetzen, und sie konnte nur etwas tun, wenn sie die korrekte Befehlsfolge herausfand. Das tat sie, ja, durch Versuch und Irrtum, aber es war ein langwieriger und umständlicher Vorgang.
    Sie ließ sich in ihren gepolsterten Thron zurückfallen, beobachtete die Anzeigen und war aus mehreren Gründen stolz auf sich. Wie es schien, hatte sie es geschafft, einen schiffsweiten Statuscheck auszulösen. Die Arche hatte ihr bereits einen vollständigen Schadensbericht über jene Sektionen und Systeme geliefert, die seit tausend Jahren nicht mehr funktionstüchtig waren und auf eine Reparatur warteten, die das Schiff selbst nicht leisten konnte. Jetzt sagte sie ihr, welche Programme gegenwärtig liefen.
    Die Liste der Bioverteidigung war auf beängstigende Weise besonders beeindruckend. Sie schien nicht enden zu wollen. Von drei Vierteln der Krankheiten, die losgelassen wurden, um sie zu begrüßen, hatte Rica noch nie etwas gehört, aber sie klangen äußerst unangenehm. Anittas war zurzeit zweifelsohne derjenige mit den meisten Krankheiten im Universum. Offensichtlich sollte es ihr nächstes Ziel sein, die Brücke vom Rest des Schiffs zu trennen, zu bestrahlen und zu desinfizieren und zuzusehen, dass sie hier etwas unverseuchte Luft hereinbekam. Ansonsten würde ihr Anzug in ein oder zwei Tagen ziemlich übel stinken.
    Oben auf dem Bildschirm stand:
    BIO-VERTEIDIGUNGSPHASE EINS (MIKRO)
    BERICHT VOLLSTÄNDIG
    BIO-VERTEIDIGUNGSPHASE ZWEI (MAKRO)
    BERICHT WIRD EINGELEITET
    Rica runzelte die Stirn. Makro? Was zum Teufel bedeutete das? Große Seuchen?
    STAND-BY-BIOWAFFEN BEREIT: 47
    sagte ihr der Schirm, und es folgten einige kryptische Informationen mit einer längeren Liste von nummerierten Tierarten. Es war eine langweilige Liste. Rica ließ sich wieder in den Kapitänssessel zurückfallen. Als die Liste zu Ende war, liefen weitere Mitteilungen über den Bildschirm.
    ALLE KLON-PROZESSE ABGESCHLOSSEN
    FEHLFUNKTIONEN IN TANKS: 671, 3312, 5579
    FEHLFUNKTIONEN ABGEBROCHEN
    STASISFELDER AUFGEHOBEN
    FREISETZUNGSZYKLUS EINGELEITET
    Rica Morgenstern war sich nicht sicher, ob sie das hören wollte. Freisetzungszyklus, dachte sie. Was wurde da freigesetzt? Einerseits war Kaj Nevis immer noch da draußen, und wenn diese zweite Verteidigungsphase ihm irgendwie Unbehagen bereitete, ihn verwirrte oder gar aus dem Weg schaffte, wäre das nur zu ihrem Vorteil. Andererseits stand sie schon vor der Aufgabe, mit all diesen Krankheiten fertigzuwerden. Noch mehr Probleme konnte sie nicht gebrauchen. Die Berichte kamen in immer schnellerer Folge herein.
    SPEZIES #22-743-88639-04090
    HEIMATPLANET: VILKAKIS
    GEBRÄUCHLICHER NAME: HAUBENDRAKULA
    hieß es. Rica setzte sich aufrecht. Sie hatte schon von Vilkakis und den Haubendrakulas gehört. Bösartige Wesen. Eine Art fliegender nachtaktiver Blutsauger, wenn sie sich recht erinnerte. Nicht sehr intelligent, aber unglaublich geräuschempfindlich, und irrsinnig aggressiv. Die Mitteilung erlosch. An ihrer Stelle erschien eine einzige Zeile.
    FREISETZUNG INITIIERT
    sagte ihr der Schirm. Die Zeile blieb eine Weile stehen und