Plantage der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
In ihrer Kehle wurde es immer enger. War er tot? Hatte sie ihn umgebracht? Sie glaubte, sich nicht mehr bewegen zu können. Er musste tot sein. Sie stand starr, und empfand die Situation als völlig unwirklich. Gleich würde sie schweißnass aus einem Albtraum aufwachen. Wieder raschelte es im Gebüsch, nur sehr viel leiser als zuvor bei Roccos Erscheinen. Ein leuchtend grüner Vogel hüpfte unter dem Dickicht hervor. Mit geneigtem Köpfchen schien er sowohl den Toten als auch Madeleine interessiert zu mustern. Er stieß ein schnarrendes Geräusch aus, als wollte er ihr Vorwürfe machen, und holte sie damit aus ihrer Erstarrung. Sie raffte ihren Rock und eilte davon, blindlings und ohne darüber nachzudenken, welche Richtung sie nahm.
Sie schlug sich durch die Büsche, entdeckte einen von allen Seiten dicht bewachsenen Pfad, und stürzte diesen entlang. Ihr Verstand versuchte, sie aufzuhalten und sagte ihr, dass kopfloses Davonrennen keinen Sinn machte, doch die entsetzliche Furcht war stärker. Sie hatte einen Menschen getötet. Sie, Madeleine Chevalier, noch keine 19 Jahre alt, Tochter ehrbarer Eltern und pflichtbewusste Büroangestellte bei dem rechtschaffenen Gewürzhändler Gaston Poivre, war zur Mörderin geworden. Ihre Beine verloren an Kraft, ein scharfes Stechen in der Lunge zwang sie, langsamer zu laufen und schließlich stehen zu bleiben. Madeleine hätte gerne geweint, doch ihr fehlten vor Entsetzen die Tränen. Stattdessen zitterte sie wie im Fieber. Rocco war tot, und sie war daran schuld. Mit bebenden Gliedern setzte sie sich auf das dichte Laub aus Mahagoniblättern und lehnte sich an den Stamm einer Ananaspalme. Die holzigen Rückstände abgestorbener Palmwedel bohrten sich schmerzhaft in ihr Kreuz. Ihr war, als müsste die Welt untergehen und sie mit. Was jetzt? Sie konnte doch nicht zurück nach Beaupay? Doch wo sollte sie hin? Und wenn sie zurückging, was dann? Man würde sie einsperren, zu üblen Schwerverbrechern, und danach aufhängen. Ihr Leben war zu Ende, und warum? Weil sie Rodriques schönen Worten Glauben geschenkt hatte und ihm nachgereist war. Das Ende hatte mit Rodrique begonnen. Er war schuld! Oder etwa nicht? Madeleine wünschte, sie hätte ihn hassen können, doch nicht einmal das wollte ihr gelingen. Stattdessen glomm noch immer ein hartnäckiges winziges Fünkchen Hoffnung, dass irgendetwas geschehen würde, was alles erklärte und alles gut machte. Doch im Augenblick geschahen nur Katastrophen, die aber ohne Ende. Allmählich beruhigte sich ihr Herzschlag. Es half alles nichts, sie musste zurück nach Beaupay, wenn sie nicht verhungern oder zur Bettlerin werden wollte. Mühsam rappelte sie sich hoch und sah sich um. Wo war der Weg, den sie genommen hatte? Er schien sich in Nichts aufgelöst zu haben. Ratlos wanderte ihr Blick in alle Richtungen. Es gab keinen Weg mehr, er war verschwunden. Wäre ihr nicht so elend gewesen, hätte sie lachen können. Die Lage war nahezu symbolisch. Es gab keinen Weg mehr. In hilflosem Zorn begann sie, quer durch den Wald zu laufen.
Madeleine hatte jedes Zeitgefühl verloren, dennoch mochte sie noch nicht lange unterwegs gewesen sein, als sich die Bäume lichteten. Sie hörte Stimmen, unruhig und ängstlich, und dazwischen wütendes Gebrüll. Sie blieb stehen und lauschte. Etwas pfiff und knallte, und gleich darauf schrie und klagte jemand. Was war das? Eine Peitsche? Ein Pferd wieherte, erneut pfiff und knallte die Peitsche in schnellem Tempo. Die Schreie gingen in Wimmern über. Madeleine krampfte die Hände um die Rockfalten. Ganz klar, hier wurde ein Sklave bestraft, und dies mit grober Gewalt. Bitterkeit stieg in ihr auf. Jeder, der hier arbeitete, arbeitete für Dupont. Folglich fiel auch die Behandlung der Sklaven in seine Zuständigkeit. Wie konnte er zulassen, dass sie ausgepeitscht wurden? Welch erbarmungslose Kälte herrschte in dem Mann? Hatte er gar kein Gefühl? Widersinnigerweise musste sie augenblicklich an die berauschende Leidenschaft denken, die sie mit ihm geteilt hatte. Doch er war ja nicht nur ein ausdauernder Liebhaber, sondern womöglich auch der Anführer der Black Ocean-Piraten. Gegen deren Vorgehen war das Züchtigen von Sklaven wohl noch harmlos.
Trotz der Furcht, die ihr im Nacken saß, schlich Madeleine zum Waldrand. Strohgedeckte Dächer baufälliger Hütten tauchten zur linken Seite auf, nach vorn erstreckten sich endlose Zuckerrohrfelder, auf welchen die Schwarzen mit der Ernte beschäftigt waren. Sogar auf
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