Plasma City
Fäusten ballt. So fest, dass die Nägel tief in die Handflächen schneiden.
Aiah kann nicht erkennen, mit wem er redet. Aus irgendeinem Grund, auch wenn keine Hindernisse im Weg sind, ist das Ding nicht klar zu erkennen. Es wirkt silbrig und glänzt im Licht, scheint zugleich aber auch tiefschwarz zu sein, dunkel wie ein abgrundtiefes Loch. Und dann scheinen da auch noch Andeutungen weiterer Farben zu schimmern, ganze Farbspektren laufen rasch durch die flimmernden Umrisse wie Interferenzen im Video …
Und es ist kalt. Aiahs Zähne klappern. Sie fragt sich, warum bei dieser Kälte nicht ihr Atem dampft.
»Metropolit«, sagt das Ding, »Warum suchen Sie mich noch einmal auf?«
»Ich wünsche, dass Sie mir dienen«, sagt Constantine. »Als Gegenleistung werde ich Ihnen geben, was Sie verlangen.«
»Vier pro Monat«, sagt das Ding. »Und für fünf Jahre.« Die Stimme klingt voll und scheint in Aiahs Bauch zu schwingen.
Constantine schüttelt den Kopf. »Zwei. Und nur für zwei Jahre.«
Aiah zieht die Jacke enger um sich. Sie hat Angst, und die Angst lässt sie noch stärker schaudern. Sie fühlt sich, als wäre sie bis auf die Knochen durchgefroren.
»Zwei?«, sagt das Ding. »Und was soll ich für dieses … dieses Trinkgeld tun?«
Constantines Stimme klingt hart wie Metall. »Ich will die Metropolis Caraqui übernehmen«, sagt er.
»Ich soll für Sie töten?«
»Gewisse Menschen. Ja.«
»Böse Menschen?« Die Frage klingt beinahe höhnisch, das Wesen macht sich offenbar über Constantine lustig.
»Ich glaube schon.«
»Drei.« Die Stimme des Wesens klingt gierig.
»Zwei.« Constantine lässt sich nicht beirren.
»Ich könnte Sie töten«, meint das Ding.
Jetzt klappern auch Constantines Zähne. Doch er macht einen Schritt auf das Ding zu und droht mit der Faust.
»Damit würden Sie nicht bekommen, was Sie wollen«, sagt er.
Es entsteht ein kurzes Schweigen, silberne und schwarze Muster laufen über die menschenähnliche Gestalt.
»Zwei«, gibt das Wesen nach. Die Stimme ist jetzt seidenweich. »Und wann soll das Töten beginnen?«
»In ein paar Tagen. Ich schicke die Nachricht über den gewohnten Weg.«
Aiah stößt einen Warnschrei aus, als das Wesen zu Constantine fließt und die Arme ausbreitet, oder was bei ihm als Arme bezeichnet werden kann … aber es ist kein Angriff, sondern eine Art Ehrenbezeugung. Tatsächlich verneigt sich das Ding vor Constantine und drückt sich auf den Betonboden.
»Ich werde tun, was Sie verlangen«, sagt es.
Constantine hält eine Hand über die gebeugte Gestalt. »Wenn Sie dies für mich tun«, sagt er, »dann kann ich Ihnen Erleichterung verschaffen, wenn Sie wollen.«
»Vielleicht«, sagt es, und dann: »Noch nicht.«
»Wie Sie wünschen!«
Dann fließt es weg, verschwindet durch die massive Wand des Gangs, und Aiah stöhnt erleichtert.
Eine ganze Weile ist nur das Tröpfeln von Wasser im Gang zu hören. Die Kälte weicht aus Aiahs Knochen, und auf einmal erkennt sie, dass sie durchnässt ist – vom Schweiß, der ihre Haut bedeckt und weil sie im Rinnsal am Boden des Gangs sitzt. Sie hat nicht bemerkt, dass ihre Knie weich geworden sind und dass sie an der Betonwand heruntergerutscht ist.
Auch Constantine seufzt erleichtert, dann dreht er sich um, sieht sie auf dem Boden sitzen und lächelt. »Er ist weg«, sagt er und reicht ihr die Hand.
Aiah weiß nicht, ob die Beine sie tragen werden, aber sie nimmt seine Hand und richtet sich auf. Es geht, stellt sie fest, sie kann stehen.
Die Luft im Gang ist auf einmal wieder sehr heiß, Schweiß rinnt ihr übers Gesicht. Dennoch schaudert sie innerlich vor Kälte.
»Warum schwitze und zittere ich gleichzeitig?«, fragt sie.
»Ein eiskalter Bursche, was?« Constantines Stimme soll unbefangen klingen, aber Aiah bemerkt, dass die Leichtigkeit nur gespielt ist. »Es ist aber ein rein geistiger Effekt. Dein Körper hat nach wie vor auf die Hitze und Feuchtigkeit reagiert, auch wenn du dachtest, dir wäre kalt.«
Er nimmt ihren Arm und führt sie zum Ausgang. Die Stiefel platschen im Wasser. Das Adrenalin schießt durch ihren Körper, sie schaut zu ihm auf und fasst seinen Arm.
»Was war das für ein Ding?«
»Es gibt verschiedene Namen für solche Wesen. Lichtgeschöpf, Eismann, Gehenkte.« Er leckt sich die Lippen. »Verdammte. Das ist die beste Beschreibung, glaube ich.«
»Ein … ein Gehenkter?«, fragt Aiah erstaunt. Gehenkte sind Gestalten aus Kindergeschichten und schlechten Horrorfilmen. Untote,
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