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Plasma City

Plasma City

Titel: Plasma City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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über Purpur zu Blau und strahlt dann beinahe überirdisch Himmelblau, genau wie der Kern eines Fusionsreaktors und wahrscheinlich genauso gefährlich.
    Sie lässt die Batterien wo sie sind, nimmt den Beutel, taucht unter der Strebe durch und verlässt den Raum. Sie geht zur Eisenstütze auf dem Bahnsteig und betrachtet die elektrolytische Spur, den verräterischen Hinweis, dass rostendes Eisen langsam zu einem mächtigen Energiestrom kriecht.
    Aiah nimmt Öl und Lumpen aus dem Beutel und versucht, den Rostfleck wegzuwischen. Die Arme schmerzen noch von den Anstrengungen des vergangenen Tages, die Füße tun ihr weh. Nicht lange, und sie keucht angestrengt. Schweiß tropft von ihrer Nase, dabei hat sie noch nicht einmal richtig begonnen.
    Sie denkt an das Plasma, das in den Batterien wartet.
    Aiah kehrt zögernd zu der Plasmaquelle zurück und überlegt sich die Sache von allen Seiten. Sie hat seit vier oder fünf Jahren nicht mehr unmittelbar mit Plasma gearbeitet. Das letzte Mal in einem Laborkurs auf dem College, den sie wegen der Kosten jedoch abbrechen musste.
    Sie reißt die Krokodilklemmen von einer Batterie und trägt sie auf den Bahnsteig. Dort schlägt sie das alte Lehrbuch vom College auf und blättert, bis sie eines der Diagramme zur Plasmakontrolle findet, die sie damals benutzt hat: das Trigramm. Sie kniet sich auf den Bahnsteig, die Hacken der schweren Stiefel drücken ihr in den Hintern. Sie legt das aufgeschlagene Buch auf den Boden und baut die Taschenlampe daneben auf, damit die Seiten beleuchtet werden. Dann streift sie einen isolierten Handschuh ab und berührt mit einer Hand die Anschlussleitung der Batterie. Sie achtet darauf, nur die Isolierung und nicht das blanke Metall der Krokodilklemme zu berühren.
    Auf einmal kommt sie sich ausgesprochen lächerlich vor. Gestohlenes Plasma, eine Batterie, ein Lehrbuch, das sie seit Jahren nicht mehr in der Hand hatte … gute Aussichten, sich schwere Verletzungen zuzuziehen.
    Trotzdem. So viel Energie sollte die Batterie doch eigentlich nicht haben.
    Sie betrachtet das Trigramm, prägt es sich ein, prägt sich die Form ein, den ausgeglichenen Fluss der Energien. Der menschliche Wille, hört sie im Geiste noch einmal den Vortrag des Professors, ist der Modulator für das Plasma. Es wird Zeit, ihren Willen in Bewegung zu bringen und sich ein paar erfolgreiche Gedanken zu machen.
    Sie kann sich nicht mehr an die Beschwörungen erinnern, die sie in der Ausbildung gelernt hat.
    Ich bin die Kraft. Die Kraft ist in mir. Idiotisch, aber mehr fällt ihr nicht ein. Doch letzten Endes geht es sowieso nur um die Konzentration und nicht um den Wortlaut.
    Die Kraft ist ein Teil von mir, die Kraft ist meinem Willen unterworfen.
    Sie schließt die Augen und das Trigramm strahlt hinter geschlossenen Lidern. Vorsichtig schiebt sie die Finger an der Leitung entlang, berührt blankes Metall und …
    So muss sich ein Wanderfalke fühlen, der zum ersten Mal von einem Hausdach herunterstößt. Ein kurzer Schreck, dann die Überraschung, dass er sich in seinem ureigensten Element befindet. Der Wind streicht durch die Schwungfedern, glättet das Gefieder am Halsansatz, die Luft unterwirft sich ihrem Willen, eine kleine Bewegung mit einem Flügel verändert die Flugrichtung … mühelos … schwerelos …
    Das Trigramm brennt im gleichen strahlenden Blau wie die Ladeanzeige der Batterie, es ist wie ein kaltes Feuer in ihrem Kopf. Sie schmeckt die Energie auf der Zunge.
    Alle Müdigkeit weicht aus meinem Körper. Mein Körper ist heil und gesund und kraftvoll. Der Impuls der Energie ist so stark, dass die Worte beinahe überflüssig scheinen. Trotzdem schickt sie das Trigramm im Geiste durch den ganzen Körper, drängt die Müdigkeit aus den Knochen, vertreibt giftige Abbaustoffe, lässt neue Energie ins Gewebe fluten.
    Aiah öffnet die Augen und sieht durchs brennende Trigramm hindurch die sich verjüngende Eisensäule mit der verräterischen Rostspur. Sie steht auf, eine Hand noch auf die Metallklammer gelegt, und versucht sich an die chemische Zusammensetzung von Eisenoxid zu erinnern. War es nun Fe 2 O 2 oder Fe 3 O 2 ? Aber das spielt keine Rolle, denkt sie. Sie kann auch mit der Ordnungszahl von Sauerstoff arbeiten. Doch auch diese Zahl hat sie vergessen. Was war es noch gleich? Sechs? Oder acht? Acht scheint richtig zu sein.
    Sie berührt den Pfeiler, spürt den kühlen roten Staub unter den Fingern und lässt die Energie durch ihre Fingerspitzen fließen. Wieder geht ihr

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