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Plasma City

Plasma City

Titel: Plasma City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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feurigen Bahn, die sie durch die Straßen zog. Sie hört die Opfer der Frau kreischen, sie hört den klagenden Schrei der Frau. Und dann biegt die brennende Frau in die Avenue of the Exchange ein, und Aiah erlebt noch einmal den Augenblick, wie die Erscheinung dort innehält, wie die Flammen aus den Fingerspitzen züngeln, wie sich die Gestalt und das brennende Gesicht an drei Seiten in den Glasfassaden der Gebäude spiegeln, diese tiefen Augenhöhlen, die Lippen zu einem Schrei geöffnet, der nicht enden will …
    Aiah sieht ihr eigenes Gesicht.
    Der Schrei der Frau sitzt noch in Aiahs Kehle, als sie erwacht.
    Es ist still im Zimmer. Das Gebäude, das Gitternetz von Leitungen, die gebaut sind, um Plasma zu erzeugen und aufzufangen, steht stumm und schweigend und sammelt Energie.
    Drei Batterien stehen auf dem Tisch und warten auf ihren Einsatz.
     
    ■ ■ ■
     
    Die Verbindung nach Gerad ist schlecht, man hört im Hintergrund einen Chor von anderen Unterhaltungen. Aber auch wenn Gils Stimme verzerrt ist, sie freut sich, dass sie mit ihm sprechen kann. Seine Stimme klingt müde und erschöpft. Aiah wagt es nicht, zwischendurch kurz zum Küchentisch und zum Beutel mit den Plasmabatterien zu schauen.
    »Es tut mir Leid, dass wir uns gestern verpasst haben«, erklärt Aiah ihm. »Aber ich musste Überstunden machen.« Sie erzählt ihm von der Plasmaexplosion und dass sie jeden Tag anderthalb Schichten unter der Erde arbeiten muss.
    »Hast du die Sache mit der Miete mitbekommen? Mit diesem Bettgeld?«
    »Ja.«
    »Ich kann dir diesen Monat nicht so viel schicken wie sonst, aber ich hoffe, du kommst trotzdem zurecht.«
    Sie wird wütend und kann die Wut nicht ganz unterdrücken. »Mir macht das nichts aus, Gil. Aber die Leute, denen wir Geld schulden, könnten anderer Meinung sein.«
    »Wem schulden wir überhaupt Geld?«
    Sie kann nicht glauben, dass er überhaupt fragen muss. Sie zählt die Gläubiger auf, er schweigt einen Augenblick lang und im Hintergrund sagt jemand, der ein ganz anderes Gespräch führt: Was, im Namen des Propheten?
    »Da stimmt doch etwas nicht«, sagt Gil schließlich.
    »Allerdings. Wir konnten uns die Wohnung kaum leisten, als du noch hier warst. Jetzt können wir sie uns überhaupt nicht mehr leisten.«
    Gil gibt sich Mühe, geduldig und verständnisvoll zu antworten. »Wir haben doch einen Haushaltsplan aufgestellt.«
    Der schwere Kopfhörer aus Plastik und Metall drückt auf ihren Schädel und kratzt über Stellen, die schon vom Schutzhelm wundgerieben sind. »Ja, haben wir«, erwidert Aiah. »Er beruhte auf der Annahme, dass du mir jeden Monat eine bestimmte Summe schicken kannst, und das hast du nicht getan.«
    »Willst du damit sagen, es wäre meine Schuld? Es ist doch nicht meine Schuld, dass ich all diese Ausgaben habe.«
    Aiah muss langsam durchatmen. »Ich gebe niemandem die Schuld«, widerspricht sie. »Ich sage dir nur, wie es ist.«
    »Das Leben in Gerad ist teuer«, erklärt Gil. »Du solltest mal das Loch sehen, in dem ich hier sitze – ein erbärmliches Zimmer, höchstens so breit wie drei Matratzen, aber Havell hat es mir besorgt, und jetzt sitze ich hier fest. Und ich soll mit den Kollegen ausgehen und sie einladen, aber die Preise in den Lokalen für die leitenden Angestellten sind überhöht, weil sie alle der Operation gehören, also …«
    »Du musst die Leute einladen?«
    »Ja, so läuft das hier eben. Man erledigt die Geschäfte beim Essen oder im Club. Und die Firma erstattet nur einen Teil der Auslagen und …«
    »Ich glaube, du musst mit dieser Art von Geschäften aufhören, Gil.«
    »Je schneller ich das hinter mir habe, desto schneller bin ich wieder zu Hause.«
    »Wir sind bald pleite«, sagt Aiah.
    Wieder ein Schweigen. Banshug würde so was nie tun!, sagt jemand auf einer anderen Leitung.
    »Ich versuche, nach Hause zu kommen«, sagt er. »Bald. Es muss einen Weg geben.«
    Jetzt erst wirf Aiah einen Blick auf die Plasmabatterien im Beutel.
    »Bald«, sagt sie. »Ich brauche dich bald.«
    Ich brauche dich, damit du mich vor mir selbst rettest, denkt sie.
     
    ■ ■ ■
     
    Aiah versperrt hinter sich den Eingang zur alten Pneumastation und geht die Treppe bis zur Überschwemmung hinunter. Sie hält sich am Geländer fest und steigt vorsichtig die Serie kleiner Wasserfälle hinunter. Sie geht langsamer, als es eigentlich nötig wäre.
    Sie erreicht das untere Ende der Treppe und der Strahl ihrer Helmlampe erfasst etwas Silbriges, das sich im Wasser windet.

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