Plasma City
Schuppen auf dem Bauch, nadelspitze Zähne. Im flachen See lebt etwas. Ihr Herz krampft sich zusammen.
Das schlangenähnliche Wesen flieht, als es von ihrem Lichtstrahl erfasst wird. Aiah wartet eine Weile, einen dicken Handschuh aufs Geländer gelegt, die Strahlen der Lampen aufs Wasser gerichtet, während sie den eigenen Puls in den Ohren hämmern hört.
Was es auch war, das Tier ist fort. Starke Plasmaquellen wie diese lassen durch eine Art Resonanzeffekt alle möglichen unheimlichen Geschöpfe entstehen. Oder vielleicht hat auch jemand das Wesen konstruiert und ausgesetzt oder fliehen lassen.
Sie zögert längere Zeit, bevor sie es wagt, den Fuß ins Wasser zu setzen. Das Wesen taucht nicht wieder auf.
Der Bahnsteig scheint größer zu sein als am Vortag, die Schatten tiefer, die gewölbten Räume gespenstischer. Aiahs Herz dröhnt lauter in den Ohren als das Poltern der Stiefel. Sie erinnert sich an die leeren Augenhöhlen der Toten. Die Frau ist jetzt seit drei Tagen tot und bietet keinen angenehmen Anblick. Aiah zögert vor der Tür der alten Toilette. Sie lässt noch einmal den Strahl der Taschenlampe über den Bahnsteig wandern, aber da ist nichts.
Sie weiß genau, dass sie es künstlich hinauszögert. Sie holt tief Luft, dreht sich um und betritt den Raum.
Die Tote liegt neben dem heruntergebrochenen Träger auf einem Schutthaufen. Aiah sieht brünette Haare, schwere Stiefel. Eine Hand hängt herab, die andere klammert sich noch im Tod an die Strebe. Der Mund ist zu einem stummen, endlosen Schrei geöffnet. Die leeren Augenhöhlen scheinen immer größer zu werden, je näher Aiah kommt. Ihre Schritte werden langsamer, dann bleibt sie stehen. Nein, sie will nicht näher heran.
Aiahs Nasenflügel zucken nervös, aber sie kann keinen Verwesungsgeruch wahrnehmen. Die Frau scheint in ihrem grünen Overall zusammengeschrumpft zu sein.
Aiahs Herz poltert in der Brust. Sie geht einen Schritt weiter, dann noch einen. Die Haut der Frau ist anscheinend steif wie Pergament, die Lippen eingefallen, lange Zähne ragen aus verdorrtem Zahnfleisch. Die Augenhöhlen sind leer, ausgebrannt.
Aiah kniet sich neben die Tote hin, streckt eine Hand aus, hält mitten in der Bewegung inne. Sie schnauft leise.
Die Frau ist offenbar mumifiziert. Die Feuchtigkeit ist dem Körper entzogen, die Nerven und die weichen inneren Organe sind wie die Augen verbrannt, einfach verschwunden. Genauso vom Feuer verzehrt wie die Toten auf der Bursary Street, die der Erscheinung zu nahe gekommen sind.
Aiah trägt isolierte Schutzhandschuhe. Vorsichtig berührt sie den Arm der Frau, nimmt ihn behutsam und zieht die verkrampfte Hand vom energieführenden Träger ab. Sie spürt keinen Widerstand und keine Sperre, der Arm ist federleicht. Aiah öffnet die Hand und lässt den Arm fallen.
Entschuldige, Schwester, denkt sie.
Sie nimmt die Decke aus dem Beutel, legt sie neben die Plasmataucherin und rollt die Tote darauf. Dann hebt sie den Körper hoch, der kaum mehr wiegt als ein Haufen trockener Lumpen und zieht ihn um den heruntergestürzten Träger herum in den hinteren Teil des Raums, wo er nicht schon auf den ersten Blick zu sehen ist.
Das brünette Haar ist zerzaust. Aiah versucht es über dem Gesicht mit den leeren Augenhöhlen in Ordnung zu bringen. Als sie versehentlich mit der Fingerspitze über eine eingefallene Wange kratzt, ist sie froh, dass sie Handschuhe trägt. Dann hüllt sie die Tote in die Decke.
Sie richtet sich wieder auf, im Geiste immer noch den offenen Mund und die leer starrenden Augenhöhlen vor sich. Die ganze Umgebung scheint mit einem körperlich spürbaren Druck auf ihr zu lasten, all die Fundamente und die Balken, die Ziegelsteine und der Beton, all die Bauteile, die unweigerlich Energie erzeugen. Das Plasma, das sich hier direkt vor ihr wie Wasser in einem Brunnen gesammelt hat, das hoch konzentriert aus diesem alten Eisenträger austritt wie der Tropfen an der Spitze eines Wasserhahns.
Sie hat viel zu tun und wenig Zeit.
Aiah spürt ein unangenehmes Prickeln, wenn sie an die Leiche rechts hinter sich denkt. Sie legt den Beutel neben die Strebe, nimmt die Batterien heraus und setzt die Krokodilklemmen auf den heruntergebrochenen Träger. Wenn sie es irgendwie vermeiden kann, will sie die Strebe auf keinen Fall direkt berühren. Etwas überrascht stellt sie fest, dass die Batterien fast augenblicklich gefüllt sind. Die kleine Anzeige auf der Oberseite reagiert auf das Plasmafeld und verfärbt sich von Rot
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