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Plasma City

Plasma City

Titel: Plasma City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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verloren hat.
    Anscheinend, so hofft sie, versucht er immer noch, die Neue Stadt aufzubauen.
    Aiahs Herz pocht gleichmäßig und pumpt das Adrenalin durch ihren Körper. Sie darf nicht vergessen, betont gelassen aufzutreten. Sie darf keinesfalls schnell und hektisch trippeln, wie es der mit Adrenalin aufgeladene Körper von ihr verlangt. Ihre Kehle ist trocken, die Handflächen feucht.
    Einer der Wächter stößt eine breite Metalltür auf, die sich geräuschlos in den Scharnieren bewegt. Hier bewegt sich alles lautlos, denkt Aiah. Sie tritt durch die Tür in einen langen Flur. Die hintere Wand besteht aus Glas und erlaubt bis zum wolkenverhangenen Horizont einen Ausblick auf die Dächer anderer Häuser. Vor dem Fenster verläuft eine geschwungene Stahlstrebe, bewusst unregelmäßig geformt und geschmückt, aber dennoch unschön anzusehen und unpraktisch. Mit solchen Kompromissen muss man sich abfinden, wenn man in einem Haus leben möchte, das eine Menge Energie produziert.
    Eine Frau mit grünen Augen tritt aus einer Tür und fängt Aiah ab. Ihr Haar ist blond gesträhnt, das Kinn ist spitz, die Haltung anmutig. Das Gewicht ruht auf dem hinteren Bein, der vordere Fuß ist aufgestellt wie bei einer Tänzerin, die Zehen auf dem rostroten Teppich zielen beinahe anklagend auf Aiah. Das apricotfarbene Kleid lässt Arme und Schlüsselbeine unbedeckt. Der Gürtel hängt tief auf der Hüfte, die goldenen Kettenglieder, aus denen er zusammengesetzt ist, sind wie geomantische Symbole geformt.
    Aiah bremst ab, als wäre sie vor eine Wand gelaufen. Ein Prickeln läuft über ihre Haut. Die Gegenwart der Frau ist beinahe körperlich zu spüren.
    Aiah sieht an sich hinab. Ihr Wollkostüm, der Stoff aus kostbarer Wolle von Schafen, die auf Dächern oder in abgesperrten Gassen gehalten werden, gefüttert mit Gemüse und Grünzeug, das sonst benutzt worden wäre, um Menschen zu ernähren … ihre eigene Kleidung, die Aiah gerade noch für extravagant hielt, wirkt an diesem Ort und angesichts dieser Frau beinahe lächerlich. Das Kleid der Frau ist mindestens zwanzigmal so viel wert wie Aiahs Kostüm.
    »Sie waren unlängst in Kontakt mit Plasma, nicht wahr?« Die Frau spricht mit einem undefinierbaren Akzent. Die grünen Augen verengen sich. »Es sieht nach einer Notoperation aus.«
    Aiah verkneift es sich, zur Wange zu greifen. Bei der letzten Inspektion vor dem Frühstück hat sie im Spiegel nur noch winzige Spuren der Schläge gefunden, und auch die nur, weil sie genau wusste, wohin sie schauen musste.
    »Ich hatte einen Unfall«, sagt Aiah.
    Die Frau setzt schweigend die Begutachtung fort. »Es ist kein aktives Plasma mehr da«, sagt sie, »nur ein paar Reste. Keine Speiseleitung, keine Brennpunkte, keine Zeitbomben, keine Spuren geistiger Beeinflussung.«
    »Mit wem reden Sie da?«, fragt Aiah.
    Die Frau hebt das spitze Kinn. »Mit jemandem, den Sie nicht kennen.« Sie nickt. »Kommen Sie bitte mit.«
    Sie weicht einen Schritt zurück und Aiah sieht einen Draht, der von ihrer Hand zum anderen Zimmer verläuft. Eine Plasmaverbindung, mit der die Frau den Kontakt zum Vorrat gehalten hat. Aiah hätte die Wärme und das Prickeln auf der Haut eigentlich früher erkennen müssen. Ihre Stiefel gleiten lautlos über den dicken Teppich, als sie der Frau durch die Tür in ein geräumiges Büro folgt, das mit einem eleganten Schreibtisch aus Glas und Aluminium, einem Terminal und einer silbernen Wendeltreppe ausgestattet ist. Die grünäugige Frau zieht das Kabel aus dem Plasmaanschluss auf dem Schreibtisch, rollt es auf der Faust zusammen und steigt die Treppe hinauf. Aiah folgt ihr und ist schon halb oben, ehe sie bemerkt, dass die dicke Mittelsäule der Wendeltreppe ein Zugeständnis an die Bautechnik ist. Eine geschickt kaschierte Notwendigkeit, die der Erzeugung von Plasma dient.
    Oben ist ein weiteres großzügiges Büro, allerdings liegen hier ein paar einzelne Folien auf der glänzenden Fläche des Schreibtischs. Die Frau klopft an eine Tür und tritt ein, ohne auf die Antwort zu warten. Aiah folgt ihr und steht auf einmal vor Constantine.
    Es gibt einen kleinen Moment der Unsicherheit, während Aiah ihr Bild von diesem Mann mit der Realität in Übereinstimmung bringt. Ihr wird klar, dass alle Chromographien, die sie von ihm gesehen hat, alle Bilder auf dem Video, dem lebenden Menschen nicht gerecht werden konnten. Constantine ist ein beeindruckender Mann, einen Kopf größer als Aiah. Er hat Schultern wie ein Bär und eine

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