Plasma City
in den verspiegelten Wänden in unzähligen Varianten den langen grauen Elton wegfahren. Die Nachbarn schauen neugierig zu. Nein, denkt sie, eine geheime Verschwörung ist es jetzt sicher nicht mehr.
Der Beutel mit dem Geld zerrt an ihrem Arm. Schwer, massiv, real. Die Münzen bestehen aus exotischen Legierungen, die nur mit Magie hergestellt werden können und daher fälschungssicher sind.
Keine kleinen Leute, denkt Aiah.
Vielleicht halten sie sich ja für Riesen.
Aiah will unbedingt herausfinden, ob die Riesen dem listigen Volk gewachsen sind.
Aiah beobachtet Constantine, der am Ge länder der Terrasse steht und die großen Hände um die zierlich verschlungenen Stangen gelegt hat. Er starrt düster zur Stadt hinunter, der Wind zerrt am Kragen seines schwarzen Hemds, das am Hals ein Stück geöffnet ist. Er scheint von einer nervösen Energie getrieben zu sein, die ihn durchdringt und auf die Umgebung ausstrahlt. Er spricht, ohne sich umzudrehen. Eine rhetorische Frage, die sich ebenso an den Wind wie an den Gast wendet.
»Was wollen Sie denn nun, Miss Aiah?«
»Viele Dinge will ich«, sagt Aiah. »Für den Anfang reicht mir Geld.«
Jetzt dreht er den Kopf langsam herum und sieht sie an. Aiahs Atem stockt beinahe. Der Blick seiner Augen ist durchdringend und scheint alle ihre Nerven zu berühren. »Was kann Geld tun«, sagt er, »das ich nicht tun könnte?«
»Bieten Sie sich mir an?« Aiah lächelt über den absurden Gedanken. »Sie sind ein bisschen groß für meinen Wandschrank.«
»Ich biete nicht mich selbst an, sondern das, was ich bin«, sagt Constantine, »und das ist keine Kleinigkeit.«
Es ist Sonntag, die erste Schicht ist zur Hälfte vorbei. Am vergangenen Tag, nach Soryas Bericht, hat Constantine Aiah persönlich angerufen und sie für Sonntag zum Frühstück eingeladen.
Sorya ist nicht da, auch ihr Leopard ist nirgends zu sehen. Das Frühstück hat ein schweigsamer Jaspeeri serviert, den Aiah noch nicht kannte. Es gab eine große Schale mit Früchten, die wahrscheinlich im Dachgarten oder an einem ähnlichen Ort gezogen worden sind. So etwas Köstliches hat Aiah noch nie gesehen oder probiert. Früchte mit hellen Schalen, als wären sie poliert, das Fleisch saftig, ein lebendi ger Geschmack, der die Zunge zu kitzeln scheint … die armseligen angestoßenen Waren, für die sie in den Geschäften dennoch ein Vermögen zahlen muss, sind nichts im Vergleich damit. Sie muss sich beherrschen, um nicht wahllos alles hinunterzuschlingen.
»Was können Sie mir anbieten«, erwidert Aiah, »das ich mir nicht mit Geld kaufen kann?«
»Weisheit, hoffe ich«, sagt Constantine. Er macht sich offenbar ein wenig über sich selbst lustig. Wieder blickt er zur Stadt, die sich unter ihnen ausbreitet. Aiah ist erleichtert, dass sein Blick nicht mehr auf ihr ruht. Es ist, als wäre der Lichtstrahl eines Leuchtturms über sie hinweggewandert.
»Hätten Sie vielleicht bestimmte, konkrete Weisheiten anzubieten, Metropolit?«, fragt Aiah. »Und was glauben Sie, wie viel sie überhaupt wert sind?«
Der Wind lässt Aiahs Rüschen flattern. Constantine schiebt die Hände in die Taschen seiner dunkelgrauen Hosen. Er grinst kurz und humorlos und starrt weiter hinunter.
»Ich dachte einmal, es wäre genug, wenn man Recht hat«, sagt er. »Aber dann habe ich herausgefunden, dass ich mich geirrt habe. Man darf nicht glauben, man wäre weise, nur weil man sicher ist, dass man Recht hat.« Die Hände ballen sich zu Fäusten, die Hosentaschen beulen sich aus. »Ich habe die Weisheit auf die schlimmste Art und Weise kennen gelernt, die man sich nur vorstellen kann. Ich musste zusehen, wie alle Menschen, die ich geliebt habe, gestorben sind. Alles, was mir wichtig war, wurde zerstört …« Seine Stimme ist hart, er starrt ins Leere, denkt an die Vergangenheit. »Ich musste ohnmächtig zusehen, wie es nach und nach dazu gekommen ist«, fährt er fort. »Es hat einige Jahre gedauert, und ich wusste die ganze Zeit, dass es meine Schuld war. Was glauben Sie, welche Art von Weisheit ich dabei gewonnen habe?« Die blitzenden Augen werden wieder auf Aiah gerichtet.
»Ich vermag es nicht zu sagen, Metropolit.« Sie kann sich nicht vorstellen, wie es ist, auf diese Weise mit den eigenen Fehlern konfrontiert zu werden und mit einer solchen Verantwortung belastet zu sein.
»Was glauben Sie, was ich mit Ihrem Plasma tun werde?« Constantine wechselt das Thema, tastet sich in eine andere Richtung vor.
Genau, hier
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