Plasma City
wie Sie vertragen können. Einverstanden?«
Aiah nickt. »Soll ich mein Symbol verwenden?«, fragt sie.
»Wenn Sie das normalerweise tun, dann tun Sie’s auch jetzt.«
Gibt es denn Leute, die kein Symbol verwenden, um die Konzentration zu verbessern? Sie knöpft den Kragen auf, schiebt die Rüschen zur Seite und zieht den kleinen metallenen Glücksbringer heraus. Constantines Gesichtsausdruck ändert sich nicht, als er das kleine Ding in ihrer hellen Handfläche sieht. Keine Spur von Herablassung oder Bedauern. Aiahs Herz erwärmt sich für ihn.
»Ich sollte noch erwähnen«, sagt er, »dass ich Sie im Austausch für die Ausbildung und das dazu erforderliche Plasma um gewisse Gegenleistungen bitten werde. Um illegale Gegenleistungen.«
»Warum sollte ich mir ausgerechnet jetzt darüber Sorgen machen?« Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen, und er amüsiert sich sichtlich.
Er nimmt ihr Handgelenk in seine kräftige Hand. Die Berührung ist neutral und hat nichts Persönliches. Aiah ist nicht sicher, ob ihr das gefällt.
»Sie sind zu dünn«, sagt er.
»Das sagt meine Mutter auch immer.«
Er tastet nach ihrem Puls. Mit der anderen Hand fasst er den Handsender und auf einmal fühlt Aiah sich vom Plasma förmlich angesprungen, von einem riesigen elektrischen Tier, das hinter Constantines sanften Augen zu lauern scheint. Ihre Nackenhaare sträuben sich.
»Tun Sie, was Sie tun müssen, um sich vorzubereiten«, sagt er. »Dann können wir beginnen.«
■ ■ ■
Aiah fühlt sich, als würde ihr Kopf von innen ausgeleuchtet. Wohin auch immer ihre Gedanken wandern, sie nimmt Dinge wahr, von deren Existenz sie vorher nichts wusste. Sie erkennt Verbindungen, Tatsachen fügen sich zu einem geordneten Ganzen zusammen und werden ihr präsentiert wie auf einem Silbertablett.
Während der ganzen Lektion spürt sie Constantines Gegenwart ganz in der Nähe. Er lenkt ihre Bewegungen, macht Vorschläge, steuert den Energiefluss. Er billigt ihre Entscheidungen – er billigt sie nachdrücklich –, und eine Art von grimmig entschlossenem Freiheitsdrang ergreift von ihr Besitz. Es ist, als hätte sie noch nie eine solche Zustimmung zu ihrem Verhalten erlebt – und wahrscheinlich trifft das sogar zu.
Eine Idee bildet sich heraus, und sie schlägt sie wortlos Constantine vor. Wieder entsteht das ungewohnte, wundervolle Gefühl, Zustimmung zu finden und sich frei bewegen zu können. Ohne wirklich zu wissen, auf welche Weise sie es tut, springt sie los, hinauf durch das Glasdach des Dachgartens, an den geschwungenen Sendeantennen vorbei und immer höher. Von den Beschränkungen des physischen Körpers befreit, bewegt sie sich, wie sie es bisher erst ein einzige Mal getan hat, als sie mit Gil im fernen Gerad Kontakt aufgenommen hat.
Federleicht schwebt sie in den Himmel hinauf, völlig ungebunden durch die Materie. Das Schachbrettmuster der Straßen von Jaspeer bleibt unter ihr zurück, kippt viel schneller unter ihr weg als in Martinus’ Luftwagen. Sie kann keine Einzelheiten mehr erkennen, während sie höher steigt, aber das Bewusstsein und das Wissen um die Dinge, die unter ihr sind, begleiten sie: Stahl und Stein, Ziegel und Beton, schwere Materie, die das empfindliche Leben auf der Erde umschließt und schützt und erhält. Materie, die Plasma erzeugt und ihren Aufstieg ermöglicht.
Sogar die kleinen weißen Wolken sind jetzt unter ihr, über die Welt gelegt wie eine Klarsichtfolie auf einer Karte. Freudig steigt Aiah weiter auf. Sie kann die Krümmung der Welt erkennen, die graue Masse der Stadt, die sich um den ganzen Erdball zieht, weiter als der Horizont. Und dann schaut sie nach oben und zuckt zusammen.
So nahe hatte sie dem Schild nicht kommen wollen. Aber dort ist er, anscheinend direkt über ihr, aus dieser Nähe nicht mehr undurchsichtig grau, sondern von einem grellen Weiß, die Quelle von Licht und Wärme für ihre Welt. Aiah spürt seine Feindseligkeit, die tosende Energie in ihm, die nicht nur das Gegenteil von Plasma ist, sondern die sogar das Plasma zerstört. Ein grimmiger Feind aller irdischen Dinge. Es ist eine Macht, die sie in Sekundenbruchteilen verzehrt, falls sie damit in Berührung kommt. Angesichts dieser Gewalt verzagt sie, verliert die Kontrolle und dreht sich ungesteuert hin und her. Der Horizont schwankt, dass ihr beinahe übel wird. Sie weiß nicht mehr, in welche Richtung sie sich bewegt. Fällt sie oder steigt sie noch? Und wenn sie steigt, wird sie dann mit dem
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