Plasma City
es ihr an. Sie nimmt es, betrachtet die bernsteinfarbene Flüssigkeit, in der winzige Blasen aufsteigen und an der Oberfläche zerplatzen.
Constantine lässt sich neben ihr aufs Sofa fallen und kaut nachdenklich an einem Stück süßem Brot. »Wissen Sie, wie man in der Akademie das Fliegen lernt?«, sagt er. »Als Erstes lernen Sie, einen Geistkörper hervorzubringen und ihn mit Sinnen auszustatten. Das dauert ziemlich lange. Sie statten ihn mit Augen, einem Gehör und einem Geschmackssinn und so weiter aus und lassen ihn dann vorsichtig zur Tür hinaus, die Treppe hinunter und auf die Straße laufen. Laufen! Sie müssen dafür ein Vermögen an Plasma aufwenden, aber so geht es eben, Schritt für Schritt. Es ist ermüdend. Nachdem Sie ein Jahr oder so herumgelaufen sind, dürfen Sie sich vorstellen, Sie wären in einem Flugzeug und würden ein paar erste Kreise durch die Luft ziehen. Die Lehrer sind vorsichtig, weil die meisten Menschen vor wirklicher Kraft Angst haben. Sie bekommen Angst, wenn sie die Freiheit spüren, und gehen in Stücke. Aber Sie, meine Tochter …« Er trinkt einen Schluck Sekt und lächelt. »Sie wussten genau, was Sie wollten und Sie haben es getan. Ich habe Sie nur mit der nötigen Energie versorgt und etwas korrigiert, als Sie die Konzentration verloren haben. Sie hatten keine Angst, Sie haben nicht gezögert und Sie konnten sich alles vorstellen, was Sie brauchten … und diese Fähigkeiten sind es, die einen Magier auszeichnen. Nicht der elende Universitätsabschluss, der auf Plastik fixiert und an die Wand gehängt wird. Dieses Stück Papier zeigt nur, dass Sie fähig waren, die Beschränkungen zu überwinden, die Ihre Lehrer Ihnen auferlegt haben.«
Aiah trinkt ihren Sekt. Die Blasen zerplatzen wie kleine Worte auf der Zunge und erzählen von einem Universum voller neuer Möglichkeiten.
»Sie müssen sich entscheiden, welche Fähigkeiten Sie entwickeln wollen«, fährt Constantine fort. »Schöpfung, Illusion, Chemie, Kommunikation. Sie sind mutig genug, um eine Kampfmagierin zu werden, aber ich würde mir das nicht wünschen. Ein Kampfmagier überlebt meist nur die ersten zwanzig Minuten einer Schlacht, ehe er vernichtet wird.«
Aiah sieht ihn an. »Und wer würde mich schon beschäftigen? Ich habe doch nichts vorzuweisen.«
Constantine schnauft geringschätzig. »Nachdem ich Sie ausgebildet habe und Sie empfehle? Und mit Ihren Fähigkeiten? Sie haben eine große Zukunft vor sich, Aiah. Das können Sie sich in großen Buchstaben an den Himmel schreiben.«
Aiah lehnt sich ins weiche Kalbsleder zurück. Der Sekt erwärmt sie, und sie beginnt von innen heraus zu glühen. »Ich kann es mir nicht vorstellen«, widerspricht sie.
Constantine zuckt die Achseln. »Aber es ist so, wie ich es sage. Es mangelt Ihnen nur an Erfahrung. Außerdem müssen Sie natürlich herausfinden, was Sie wollen – im Gegensatz zu den Dingen, mit denen Sie sich abfinden müssen.« Er steht auf. »Ich glaube, Sorya will noch mit Ihnen sprechen, ehe Sie gehen. Nehmen Sie etwas zu essen mit, es könnte eine Weile dauern.«
Sie steht auf, geht zum Büffet und sieht ihr verzerrtes Bild in der gekrümmten Oberfläche einer Kupferschale.
Constantine spricht unterdessen nachdenklich weiter. »Bevor Sie mit Sorya arbeiten, sollte ich Ihnen vielleicht einiges über sie erzählen.«
Aiah greift nach einem Teller, hält inne. »Was denn?« Sie erinnert sich wieder an die Szene, die sie bei ihrer Ankunft beobachtet hat, an das Diamanthalsband, das achtlos in den Müll geworfen wurde.
Constantine sieht nachdenklich zum Dachgarten hinaus, das Grün spiegelt sich in seinen braunen Augen. »Sie kommt aus einer führenden Familie in Carvel und gehört der Torgenil-Religion an. Wissen Sie, was das bedeutet?«
Aiah weiß nur, dass die Torgenil-Religion sich durch besonders farbenprächtige Zeremonien auszeichnet. Der größte Zweig der Religion genießt ein gewisses Ansehen, aber einige Nebenzweige haben keinen sehr guten Ruf, weil sie die Geister der Toten beschwören, mit genetischen Veränderungen experimentieren und sogar Menschen opfern. Aber im Grunde weiß sie wenig über den Glauben und hält es für das Beste, dies auch zuzugeben. »Nein, Metropolit.«
»Kurz gesagt«, erklärt Constantine, »sind die Torgenil der Ansicht, dass wir verdammt sind und in der Hölle leben. Wir wären aus dem Paradies verstoßen worden und könnten nicht auf Erlösung hoffen, wir wären verdorben und würden die Seelen der
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