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Plasma City

Plasma City

Titel: Plasma City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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Auserwählten nur beschmutzen. So hätten die Aufgestiegenen Meister den Schild gebaut, um unsere besudelte Unterwelt von ihrer höheren Welt abzutrennen. Die Zeremonien der Torgenil sind trotz aller Farbenpracht und Verzückung keine Anbetung, sondern ein Ausdruck tiefer Verzweiflung. Verzweiflung steckt hinter den bösen Riten der Kulte, die sich aus dem Glauben der Torgenil entwickelt haben. Wenn überhaupt nichts mehr eine Rolle spielt, wenn es keine Hoffnung gibt und wenn wir sowieso verdammt sind, ganz egal, was wir tun, dann kann man es auch auf die Spitze treiben und die Macht in ihrer bösesten Form ausüben.«
    Er grinst höhnisch, macht eine Geste mit dem Sektglas, stößt ein verächtliches Lachen aus. »Wenn ich wüsste, dass ich sowieso verdammt bin, dann könnte ich natürlich auch viel stolzer auftreten als jetzt.«
    »Und Sorya ist eine Anhängerin dieses Glaubens?« Ein kalter Finger fährt über Aiahs Rücken, als sie sich an Soryas grüne Augen erinnert, die in der Dunkelheit der alten, unterirdischen Station vom Plasma erfüllt waren und böse geleuchtet haben. Ganz undenkbar findet sie es nicht, dass Sorya an Menschenopfern teilnimmt.
    »Sorya hat sich von diesem Glauben und allem anderen losgesagt«, erklärt Constantine. »Aber sie konnte nicht so leicht die Grundhaltungen aufgeben, die ihr dieser Glaube eingegeben hat. Und man darf nicht vergessen, dass sie in einer Herrscherfamilie von Carvel aufgewachsen ist.« Er starrt einen Moment sein Sektglas an. »Sie weiß, was Macht ist, sie weiß damit umzugehen. Sie weiß, wie man Menschen benutzt. Sie ist darin so geschickt, dass die Menschen oft nicht einmal merken, wie sie benutzt werden. Aber da ihre Ansichten über die Menschen von Verzweiflung geprägt sind, kommt sie nicht auf die Idee, das Gute in den Menschen zu suchen. Sie kann einen Menschen benutzen, sie kann ihn herumkommandieren oder beherrschen oder durch Hoffnung auf Belohnung manipulieren, aber sie kann die Menschen nicht inspirieren und anregen, über sich selbst hinauszuwachsen.« Er schweigt nachdenklich. »Eigentlich ist das für eine Frau ihres Formats erstaunlich kurzsichtig.«
    Aiah sieht Constantine an. Sie hat viele Fragen im Kopf und weiß nicht, wo sie anfangen soll. Er bemerkt ihren Gesichtsausdruck und lächelt. »Versuchen Sie die pochierten Eier mit den Trüffeln«, schlägt er vor, indem er den Deckel von einer Schale nimmt. »Die Soße wird Ihnen sicher schmecken.«
    »Danke.« Sie nimmt einen Teller und schaufelt Essen darauf. Die Hälfte der Lebensmittel, die hier zur Auswahl stehen, kennt sie nicht einmal dem Namen nach. Sie zögert, stellt den Teller wieder weg. Immer noch summt das Plasma in ihren Nerven. »Metropolit?«, sagt sie.
    »Ja?«
    »Was ist mit der Plasmataucherin?«
    »Was soll mit ihr sein?«
    »Was ist mit ihr passiert? Warum wurde sie … vernichtet?«
    Er schlägt nachdenklich die Augen nieder. »Wer kann das sagen? Vielleicht ein innerer Makel, der durchs Plasma verstärkt wurde. Vielleicht hat es sie in einem Moment der Unaufmerksamkeit erwischt. Oder vielleicht hatte sie sogar die Absicht, das Plasma zerstörerisch einzusetzen, und ihr Plan ist gescheitert. Ich habe festgestellt, dass die Menschen, die vom Plasma zerstört werden, häufig insgeheim den Wunsch haben, sich selbst zu zerstören. In ihnen steckt ein perverser Impuls, der das Scheitern sucht und ihr Leben vergiftet.« Er tritt nahe an Aiah heran, legt ihr die Hände auf die Schultern und sieht ihr tief in die Augen. »Vergessen Sie die Taucherin. Sie werden nicht enden wie sie, das kann ich Ihnen versprechen. Ich habe genug gesehen, um zu wissen, dass Sie diese dunkle Saat nicht in sich haben.«
    Er küsst sie, drückt die warmen Lippen einen langen Augenblick auf ihren Mund und kehrt zu seinem Schreibtisch zurück. »Sorya wird sicher langsam ungeduldig«, sagt er, indem er sich noch einmal über die Schulter zu ihr umdreht. »Vergessen Sie nicht Ihre Aktentasche.«
    Aiah bleibt für einen Augenblick reglos stehen und fragt sich, was das für ein Versprechen war, das sie da auf den Lippen geschmeckt hat.
    Sie nimmt Aktentasche, Teller und Glas an sich und steigt ungeschickt die Wandeltreppe hinunter. Sorya lümmelt unten im Wohnzimmer in einem Lehnstuhl, die Füße auf einen niedrigen, wuchtigen Marmortisch gelegt.
    Der Leopard liegt behaglich auf einem Sofa, ausgestreckt wie ein riesiges, gefährliches Kätzchen. Er hat sich halb auf den Rücken gedreht, dass man das weiche

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