Plasma City
Augen lugen aus einem geröteten, faltigen Gesicht, eine Zigarette hängt achtlos im Mundwinkel. Sie hat den Mann schon öfter gesehen, eigentlich sollte sie seinen Namen kennen.
»Setzen Sie sich«, sagt Aiah. Um ihn besser verstehen zu können, zieht sie eine Hörmuschel vom Ohr und schiebt sie sich auf die Schläfe.
Der Mann kommt herein und greift nach einem der beiden Metallstühle, die an der Wand stehen. »Nicht die da«, warnt Aiah ihn. »Die sind kaputt. Wir haben es schon vor Monaten gemeldet, aber es ist nichts passiert. Nehmen Sie den Stuhl meiner Kollegin, sie hat gerade Pause.«
Der Mann nickt, etwas Zigarettenasche fällt auf die Rüschen unter dem Kinn. Er rückt Tellas Stuhl zu Aiahs Schreibtisch herum und setzt sich.
»Ich glaube, wir wurden uns noch nicht vorgestellt, aber Mr. Mengene äußerte sich sehr wohlwollend über Sie.« Er streckt die Hand aus. »Ich bin Rohder.«
In Aiahs Kopf heulen ganze Batterien von Alarmsirenen auf. Er ist der Mann, der die Flammenfrau auf der Bursary Street ausgeknipst hat und mit den verstärkten Augen seiner Anima die Speiseleitung der Erscheinung bis zum Terminal verfolgt hat.
Außerdem ist er der Mann, dessen Telefon sie manipuliert hat, um ungefährdet die ersten Anrufe bei Constantine machen zu können.
Aiah schält sich die Rüschen vom Handgelenk und schüttelt Rohders Hand. »Gut, dass Sie aus dem Krankenhaus entlassen wurden«, sagt sie. Hoffentlich kann er nicht erkennen, dass ihr das Herz bis zum Hals schlägt.
Rohder lächelt. »Es hat mich umgehauen«, sagt er. »Ich hätte nicht damit gerechnet, in meinem Alter noch einmal mit so einem großen Notfall zu tun zu haben.«
»Ist denn alles wieder in Ordnung?« Aiah fragt sich, ob ihre Stimme nicht ein wenig schrill klingt.
»Oh, ja, ich bin so gut wie neu.«
»14.40 Uhr«, sagt die Stimme in Aiahs Kopfhörer. »Antenne Vier auf 033,3 Grad drehen. Verstanden?«
»Negativ. Bitte wiederholen?«, sagt Aiah. Sie sieht Rohder entschuldigend an und achtet auf die Anweisungen der Sprecherin. Die vertrauten Bewegungen, als sie den Computer programmiert, helfen ihr, einen Anschein von Gelassenheit zu wahren.
Während sie die Regler einstellt, erinnert sie sich, dass Sorya und Khorsa schon bei der ersten Begegnung erkannt haben, dass Aiah mit Plasma in Berührung gekommen war. In den vergangenen zwei Wochen hat Aiah tausendmal mehr Plasma benutzt als in der Zeit, bevor sie Sorya kennen lernte. Rohder ist alt genug, um Zugang zu Plasma zu haben – wahrscheinlich benutzt er es in seinem Alter hauptsächllich, um sein Leben zu erhalten und noch mehr Plasma zu bekommen. Auch er könnte also erkennen, dass sie Plasma benutzt hat.
Außerdem war er der Leiter der Forschungsabteilung, bis sein Etat gestrichen wurde. Also versteht er etwas von diesem Gebiet.
Sie denkt über ein paar passende Lügen nach, während sie die Kabel im Schaltschrank umsteckt. Sie ist selbst überrascht über die einfache Erklärung, die ihr schließlich einfällt. Anscheinend sind auch Täuschungen und Lügen nur eine Frage der Übung.
Ich benutze das Plasma in meinem Tempel, überlegt sie sich. Bei den Ritualen. Diese Erklärung ist durchaus einleuchtend.
»Ja?«, sagt sie. Sie schiebt die Ohrmuschel wieder zurück. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
Rohder sieht sich vergebens nach einem Aschenbecher um, tippt sich einen langen grauen Aschewurm in die hohle Hand und wischt die Hand an der aschegrauen Hose ab. »Sie haben die Gruppe geleitet, die Mr. Mengene nach Osten in Richtung Grand City geschickt hat.«
Aiah rutscht nervös herum, zwingt sich aber sofort wieder, wenigstens äußerlich ruhig zu bleiben. »Das ist richtig«, sagt sie.
»Und Sie haben nichts gefunden?«
»Ich dachte, ich hätte eine vielversprechende Spur gefunden, aber es ist nichts dabei herausgekommen«, erklärt sie. Und außerdem müssen wir dringend diese Tür zumauern, fügt sie in Gedanken hinzu.
Rohder beugt sich vor, die hellblauen Augen schimmern feucht. Aiah fragt sich, wie alt er ist. Trotz des weißen Haars und der vielen Falten um die Augen wirkt er überraschend jugendlich. Aber mit regelmäßigen Plasma-Behandlungen könnte er ohne weiteres über hundert Jahre alt sein.
»Und worin hat diese Spur bestanden?«, fragt er.
Aiah holt Luft. »Es gibt dort eine alte Pneumastation, die Terminal heißt. Der Zugang war direkt unter einem Gebäude, in dem jemand die Zähler manipuliert hatte, deshalb dachte ich, sie würden Plasma von einem
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