Plasma City
werde sehen, was sich da machen lässt. Aber die Frage ist, ob ihr aussagen wollt.«
Khorsa und Dhival wechseln einen Blick. Dhival leckt sich nervös über die Lippen. »Man sagt nicht gegen die Operation aus«, wendet sie ein.
»Und wenn ich dafür sorge, dass ihr beschützt werdet?«
»Wir würden trotzdem alles verlieren, oder? Du kannst uns nicht ewig schützen und wir können den Tempel nicht betreiben, wenn es die Operation auf uns abgesehen hat. Wir müssten uns für den Rest unseres Lebens verstecken.«
Aiah sieht die beiden an. Sie weiß, vor welcher Entscheidung sie stehen: aussagen und auf einen Schlag alles verlieren oder den Forderungen der Operation nachgeben und nach und nach alles verlieren. Als Erstes den Stolz und die Unabhängigkeit und schließlich auch alles andere. Die Operation nimmt ihnen scheibchenweise alles ab: Geld, Besitz, den Wisdom Fortune Temple …
»Wir hatten gehofft«, sagt Khorsa zögernd, »dass wir Guvag vielleicht für etwas anderes verhaften lassen könnten, nur nicht gerade dafür, dass er uns bedroht hat. Er handelt mit illegalem Plasma – vielleicht könnten wir die Behörden auf ihn aufmerksam machen, sodass er verhaftet wird, weil er an jemand anders verkauft hat.«
Eine schwache Hoffnung, denkt Aiah. Sie steckt den Notizblock weg. »Ich werde sehen, was ich machen kann«, sagt sie. »Inzwischen möchte ich dafür sorgen, dass Esmon die Behandlung bekommt, die er braucht.«
Khorsa sieht sie mit großen Augen an. »Natürlich.«
»Und du musst dir einen Anwalt suchen und herausfinden, welche Möglichkeiten du hast.«
Die beiden Schwestern wechseln einen Blick. Anwälte sind kein Teil ihrer Welt. Der unpersönliche Mechanismus der Rechtsfindung hat mit ihrem Leben nichts zu tun, solange sie nicht festgenommen werden oder eine Räumungsklage bekommen. Anwälte sind Feinde, genau wie Polizisten und Richter. Die Vorstellung, einen von dieser Sorte auf ihrer Seite zu haben, ist ihnen völlig fremd.
»Ich muss mal telefonieren«, sagt Aiah. »Wisst ihr, wo ich hier ein Telefon finde?«
Khorsa deutet den Flur hinunter, und Aiah blickt in die angegebene Richtung.
Sie muss Constantine sagen, dass er keinen Wagen schicken soll, um sie zur Plasma-Lektion abzuholen.
Notfälle in der Familie gehen nun einmal vor.
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Als Aiah das Krankenhaus verlassen hat, kehrt sie ins Büro zurück. In der zweiten Schicht gibt es nicht viele Plasma-Anforderungen, und das Büro ist nur mit einem Mitarbeiter besetzt. Auf ihrem Platz sitzt jetzt Vikar, der dicke Angestellte sechster Stufe. Sie begrüßt ihn und setzt sich auf Tellas Stuhl. Sie schließt den Kopfhörer an, wählt die Nummer der Rechnungsabteilung und fordert Guvags Unterlagen an. Als die Kollegen über die zusätzliche Arbeit jammern, weist sie darauf hin, dass sie für den Katastrophenschutz arbeitet und die Informationen sofort braucht. Vierzig Minuten später sind die Akten da, zwei Nachrichtenkapseln mit dünnen, zusammengerollten Plastikfolien poltern in den Eingangskorb.
Sie liest die Unterlagen, kann aber nicht viel finden. Guvag benutzt nicht viel Plasma, jedenfalls nicht offiziell. Das Gleiche gilt für den Shade Club. Sie findet die Adresse und außerdem ein rotes Warnschild, das aber eigentlich weder rot noch ein richtiges Schild ist, sondern einfach nur ein aufgedruckter Warnhinweis, dem sie entnehmen kann, dass Guvag einmal des Plasmadiebstahls überführt wurde und im Auge zu behalten sei.
Bei der Fahndung braucht sie gar nicht erst nach Unterlagen zu fragen, also besteht der nächste Schritt wohl darin, beim Informationsdienst des Wire alle öffentlich zugänglichen Daten zusammenzusuchen. Sie würde lieber den Computer im Büro benutzen, aber der ist nach Arvag-Spezifikationen gebaut, während der Wire das inkompatible Cathobeth-Kompressionsverfahren benutzt. Also muss Aiah zur zwei Straßen entfernten Niederlassung des Wire laufen.
Sie verabschiedet sich von Vikar, geht zum Büro und mietet eines der Rechercheterminals. Sie schiebt die Münzen in den Schlitz und ruft alles ab, was an frei zugänglichen Angaben zu Guvag existiert. Anderthalb Stunden später hat sie alles auf glattem Plastikfaxpapier ausgedruckt und stopft sich die zusammengerollten Blätter, die noch nach Entwickler riechen, in einen Beutel. Dann fährt sie mit der Pneuma nach
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