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Plasma City

Plasma City

Titel: Plasma City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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Stellen Sie sich nur die Reaktion meiner Familie vor«, fährt er lächelnd fort, »als ich erklärt habe, dass ich dort studieren wollte. Die Schule widersprach allem, was ihnen lieb und teuer war – und genau deshalb wollte ich wahrscheinlich auch dorthin.« Er zuckt die Achseln.
    »Aber Distanz zu allem und jedem?«, sagt er. »Ist das nicht auch zugleich eine Falle? Zu behaupten, nichts spiele eine Rolle oder nichts dürfe eine Rolle spielen abgesehen von dem, was sich im eigenen, absolut leidenschaftslosen Bewusstsein ereignet …« Er stößt ein düsteres, höhnisches lachen aus. »Und das nennen sie dann Freiheit? Sie hocken in ihren Meditationskammern, sie verstecken sich vor der Welt, sie starren besessen die Landschaften ihres eigenen Bewusstseins an und haben Angst davor, irgendwo einen Impuls, eine Emotion, einen Zwang zu entdecken …«
    Aber Leidenschaftslosigkeit, denkt Aiah sich, wäre in diesem Augenblick gar keine so schlechte Idee. Wir wollen also leidenschaftslos über das Problem nachdenken. Wie ich hörte, sind Menschen – böse Menschen – gestorben. Ich weiß zwar nicht sicher, dass es genau die Leute waren, die mich angegriffen haben, aber ich vermute, dass dem so ist. In diesem Fall habe ich Beweise, die mir mit Stiefelspitzen eingehämmert worden sind, dass es tatsächlich böse Leute waren, die ihre Strafe verdient haben …
    »Das Vermeiden der Leidenschaft ist kein Sieg über die Leidenschaft«, fährt Constantine unterdessen fort. »Die Schule von Radritha schien dies trotz ihrer klugen Köpfe nicht zu erkennen. Sie haben die Leidenschaft nicht besiegt, sondern lediglich verleugnet. Deshalb hatten sie so große Angst vor der Macht. Sie wussten, dass die Macht für sie gefährlich ist, weil die Macht sehr leicht zur Sklavin der Leidenschaft wird, und zwar ganz besonders zur Sklavin einer nicht eingestandenen Leidenschaft.«
    Und wenn sie tot sind, denkt Aiah, dann habe jedenfalls nicht ich sie getötet. Ich habe nicht darum gebeten, dass sie getötet werden sollten. Ich wollte das nicht. Und deshalb hat es vielleicht überhaupt nichts mit mir zu tun.
    Buntes Licht strömt in den Wagen, ein ferner Schrei ist zu hören. Eine Werbung dröhnt in die Straßenschlucht herunter und schreit ihre Angebote mit Sirenenstimmen heraus.
    »Es trifft zwar zu, dass ein Mensch, der sich zum Sklaven seiner Leidenschaften macht, nicht frei ist«, erklärt Constantine, »aber ein Mann, der vor diesen Leidenschaften flieht, ist es auch nicht. Und da die Leidenschaften eine unausweichliche Folge unserer Menschlichkeit sind, ist es unmöglich, sie zu beseitigen, solange wir Menschen bleiben. Radritha hat sich in diesem Punkt geirrt. Es sind nicht die Leidenschaften, die uns schwächen, sondern vielmehr die unkontrollierten Leidenschaften. Wenn aber Leidenschaften und Vernunft zusammen eingespannt werden, dann kann der Mensch, der wahre Mensch, frei werden … und er ist frei, auch andere zu befreien. Und dies ist die einzig vertretbare Art und Weise, die Macht zu gebrauchen.«
    Aber, denkt Aiah, wenn diese Tode nichts mit mir zu tun haben, warum frage ich dann nicht einfach Constantine, was passiert ist?
    Weil, sagt sie sich, weil ich Angst vor der Antwort habe.
    Constantines Redefluss bricht ab. Er sieht Aiah neugierig an. »Wie ich sehe, hat mein Vortrag nicht die gewünschte Wirkung gehabt«, sagt er. »Sie hängen nach wie vor Ihren eigenen Gedanken nach.«
    »Ja.« Aus irgendeinem Grund kann sie den Kopf nicht zu ihm herumdrehen, sie vermag die Nähe nicht zu halten. Sie starrt den leeren Sitz auf der anderen Seite an. Sie muss sich bemühen, distanziert zu bleiben.
    »Vielleicht waren meine Ausführungen auch zu abstrakt«, fährt er fort. »Ich wollte allerdings deutlich machen, dass meine Ziele letzten Endes überhaupt nicht abstrakt, sondern sehr konkret sind: die Neue Stadt, die Macht und die Freiheit. Und zwar für alle, nicht nur für mich allein. Und …«Er leckt sich die Lippen. »Manchmal gibt es Opfer. In einer derart festgelegten Welt wie der unseren, wo Jahrtausende vergehen können, ohne dass es zu durchgreifenden Veränderungen kommt, kann keine Revolution geräuschlos und sauber und ohne Konsequenzen vonstatten gehen. Wenn man es praktisch sieht, kann etwas Rücksichtslosigkeit heute später viel Blutvergießen ersparen …«
    Constantine hält inne, fegt das letzte Argument mit einer verächtlichen Geste vom Tisch. Ohne Vorwarnung, abrupt und heftig packt er Aiahs Handgelenk, wie er

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