Plasma City
es bei den Lektionen immer getan hat, aber jetzt durchströmt ihn eine andere Art von Energie und lässt seine Augen leuchten – Leidenschaft, erkennt sie erschrocken. Eine Leidenschaft von einer ganz anderen Art als diejenige, an die sie gewöhnt ist. Eine Leidenschaft ist es, die die ganze Welt verzehren könnte, gierig und grimmig und stark, ohne Vorbehalte und Hemmungen … nein, denkt sie. Solche Impulse kann nicht einmal die Schule von Radritha unterdrücken.
»Hören Sie zu, Miss Aiah«, sagt er. Wieder das eindringliche Flüstern mit der tiefen Stimme, das ihre Knochen zum Vibrieren bringt. »Wenn die Neue Stadt erst entstanden ist, dann war jedes Opfer – jedes Op fer – gerechtfertigt. Denn ich sehe in unserer Welt, die nichts anderes ist als ein großes Gefängnis, keinen anderen Ausweg.« Die Hand, die ihren Arm gepackt hat, fühlt sich an wie ein Schraubstock. Aiah ist klug genug, keinen Versuch zu unternehmen, sich zu befreien. Stromschläge zucken durch ihre Nerven, als würde die brennende Leidenschaft, die von ihm Besitz ergriffen hat, zu ihr durchschlagen.
»Und wenn die Neue Stadt untergeht«, fährt er fort, »dann haben Soryas Anhänger und der Kult von Torgenil Recht behalten, und wir sind verdammt und stecken in der Hölle. In diesem Fall aber …« Der Ausbruch ist vorbei, die funkelnden Augen werden trüb, die große Hand verliert ihre Kraft. Aiah zieht den Arm zurück und rückt den Ärmel zurecht. »In diesem Fall«, sagt er, und auch die Stimme scheint jetzt kraftlos, »spielt sowieso nichts mehr eine Rolle, der Tod am allerwenigsten.«
Aiah betrachtet die verhangenen Augen, die hoffnungslos eine öde, eingesperrte Welt sehen. Wieder unterdrückt sie den Impuls, ihn zu trösten. Lächerlich, denkt sie. Lächerlich der Gedanke, dass er ihren Trost brauchen könnte.
Der Wagen gleitet geräuschlos unter dem mit Plasmafäden gestreiften Himmel dahin. Aiah denkt an die Energie, die unter den Straßen pulsiert wie das Blut in den Arterien eines Menschen. Die Städte liegen auf der Erdoberfläche wie Parasiten mit Panzern aus Granit, das Leben der Menschen ein kleines Flackern in dunklen Schluchten – hier ein wenig Wärme, dort ein kurzes Licht, das sofort wieder erlischt.
»Wie kann ich helfen?«, sagt sie, aber zugleich hört sie die dunkle Stimme ihrer Vorfahren im Hinterkopf brüllen: Er ist dein Passu! Nein, sie muss ihn nicht trösten, sie muss nur sein Geld nehmen.
Constantine zieht eine Augenbraue hoch. »Sie können nicht zufällig unter Wasser atmen?«
Sie starrt ihn an. »Machen Sie Witze?«
»Überhaupt nicht. Kennen Sie die Geräte, die man dazu benutzt?«
»Ich habe noch nie eins gebraucht.«
»Können Sie sich nächste Woche zwei Tage frei nehmen? In der Zwischenzeit können wir Sie einweisen.«
Aiah öffnet den Mund, schließt ihn wieder. »Ich könnte wahrscheinlich zwei Tage Urlaub bekommen«, sagt sie schließlich.
Sie kann nicht glauben, dass sie sich darauf einlässt. Constantine hat es so eingerichtet, dass er ihr Geld jederzeit zurückrufen konnte, und jetzt tut sie ihm einen Gefallen.
Es ist für die Neue Stadt, denkt sie.
Es ist für den Traum.
Denn sogar ein Barkazil-Mädchen aus Old Shorings braucht etwas, an das es glauben kann.
Constantine versucht zur Abwechslung einmal, nicht so auszusehen wie er selbst. Ausgestattet mit Pässen aus Gunalaht, die Constantine irgendwie besorgt hat, fliegt er mit Aiah in einem Luftwagen zur Metropolis von Barchab am Meer von Caraqui. Constantine tritt als Dr. Chandros auf. Er trägt einen schlichten grauen Reiseanzug und konservative Rüschen, sein Zopf ist hochgesteckt und unter einer Perücke mit langem, rötlichem Haar verborgen. Aiah ist Miss Quelger, seine Assistentin. Sie denkt unwillkürlich, dass Constantine mit roter Perücke sogar noch auffälliger ist als sonst.
Aber es interessiert sich ohnehin niemand für ihre Pässe.
Der Luftwagen setzt mit heulenden Turbinen auf dem Dach des Hotels Volcano auf, das einem alten Turm nachempfunden ist. Etwas benommen von der temperamentvollen Landung geht Aiah über die Landefläche zum Hoteleingang und starrt überrascht die blauen Vulkankegel an, die im Westen den Horizont dominieren. Die gezackten, schneebedeckten Gipfel zeigen sich unbeeindruckt von der Stadt, die wie eine Woge halb die steilen Bergflanken hinaufdrängt, um abrupt aufgehalten zu werden. Sie hat bisher noch nie ein unbebautes Stück Boden gesehen, nicht einmal aus der
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