Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
Vom Netzwerk:
vorläufig. Es war eine tief verwurzelte Gewohnheit. Der Impfstoff bot keine völlige Immunität, und keiner der Überlebenden würde jemals wieder der Welt unterhalb von 10 000 Fuß trauen.
    Während der Mahlzeiten hörte sie, dass man daran dachte, sämtliche Bewohner nach Boulder umzusiedeln. Denver war zwar viel größer, hatte jedoch einiges an Fallout erwischt. Außerdem gab es Gerüchte, dass die Air Force durchgreifen und eine Reihe ihrer Angehörigen in das hundertfünfzig Meilen weiter westlich gelegene Grand Junction bringen wollte. Womöglich hatte die Verlagerung auch schon begonnen. Kampfjets und größere Maschinen flogen unentwegt hin und her, und sie hätte nicht sagen können, ob ihre Anzahl gleich blieb oder sich verringerte. Einige kehrten niemals zurück, weil sie abgeschossen wurden, aber andere fanden vielleicht neue Stützpunkte.
    Spontanentscheidungen gehörten hier oben zum Alltag, und Ruth hätte eigentlich nicht überrascht sein sollen, dass ihr einer von McCowns Assistenten und dann auch noch ein Mann, der den Raum neben ihr im Bunker bewohnte, einen Antrag machten. Die Leute gingen davon aus, dass sie nichts zu verlieren hatten, und Ruth war neu und allem Anschein nach nicht in festen Händen.
    Sie suchte den nächstgelegenen Speisesaal auf. Fallen und Drahtkäfige waren am Rand des lang gestreckten Zelts aufgestellt worden. Eine Ratte zappelte am Ende einer Reihe, Ruth betrachtete sie mit einer Mischung aus Ekel und etwas anderem – ihrer tiefen Einsamkeit.
    Du hast eine andere, Cam, dachte sie.
    Es hatte hier oben nie viel Leben gegeben. Streifenhörnchen, Murmeltiere, Elche, außerdem Moorhühner und mehrere andere Vogelarten. Fast alle waren ausgestorben. Die Menschen hatten jede Spezies gejagt und getötet, bis die Bestände zu klein und für immer verloren waren. Vielleicht existierten noch ein paar Moorhühner und Streifenhörnchen in der Gegend, aber man hatte seit Monaten kein einziges Exemplar der früher so zahlreichen Bergbewohner gesehen. Hin und wieder zogen Vögel in großer Höhe vorüber. Und es gab Ungeziefer. Ratten lebten normalerweise nicht in dieser Höhenlage, aber allem Anschein nach waren einige der Schädlinge mit den zahllosen Kisten der Katastrophenhilfe und den Nachschublieferungen des Militärs, die kurz nach dem Pestausbruch über Luftbrücken in die Region transportiert wurden, eingeschleust worden.
    Die Ratten hatten sich in der Enge und dem Schmutz stark vermehrt. Ruth nahm an, dass sie froh darüber sein sollten. Hatte irgendwo sonst irgendjemand andere Säugetierarten gerettet? Sie machte sich wieder einmal Gedanken über die bizarre Welt, die sie der nächsten Generation hinterlassen würden – falls sie nicht ohnehin mit einer neuen Seuche vollendeten, was die Pest begonnen hatte. Ratten, Vögel, Insekten und Reptilien sorgten sicher für ein trostloses, höchst virulentes Milieu, das ihr dennoch stabiler erschien als eine Umgebung ganz ohne Warmblüter. Die Umwelterhaltung würde in den nächsten Jahrhunderten absoluten Vorrang genießen. Hunde, Pferde oder Schafe, die das Desaster überlebt hatten, waren vermutlich von unschätzbarem Wert. Da draußen musste es sie noch vereinzelt geben, verborgen oder verirrt in den Hochlagen rund um die Welt, was es um so wichtiger machte, jedes einzelne dieser Geschöpfe zu retten.
    Die Ratte drehte und wand sich, hieb die Krallen in den Draht und schnappte nach dem eigenen Hinterbein. Ruth wandte den Blick von dem hässlichen Ding ab und sah zwei Soldaten näher kommen. Der vordere Mann hatte das Gewehr von der Schulter genommen, hielt den Lauf aber nach unten gerichtet.
    »Sie wissen, dass Sie sich im Sperrbereich befinden, Gefreite«, sagte er. »Mittagessen gibt es frühestens in zwei Stunden.«
    »Ja.« Da Ruth keine Rangabzeichen trug, hielten sie die beiden Männer wohl für eine Rekrutin, die nach einer Möglichkeit suchte, eine Extraration einzutauschen oder zu stehlen. Wahrscheinlich hatte sie Glück, eine Frau zu sein, sonst hätten die Wachen sie wohl gröber behandelt. McCown hatte ihr zwar eine Dienstplakette ausgehändigt, aber Ruth sah keinen Grund, sie aus der Tasche zu ziehen und damit einen Eintrag zu riskieren, der verriet, wohin sie sich begeben hatte.
    Sie lächelte und wandte sich schon zum Gehen. Da entdeckte der Soldat die Ratte und schaute ihr mit schmalen Augen nach. Er glaubt, ich wollte mir das Vieh nehmen!, dachte sie. Das war ein weiterer Nutzen des Ungeziefers. Die einst als

Weitere Kostenlose Bücher