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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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einem gewaltigen Durchhaltevermögen, obwohl er den schwersten Rucksack trug und etwa doppelt so viel marschiert war wie Ruth und Cam, da er weite Wege zurückgelegt hatte, um ihre Insektenfallen aufzustellen. Außerdem hatte er am Vortag am meisten abgekriegt. Er war von Bisswunden übersät, und Cam wollte, dass er schlief, weil er ihn im Vollbesitz seiner Kräfte brauchte. Es quälte ihn, dass ihr Verhältnis von Unbehagen und Argwohn geprägt war. Als Elitesoldat mit Führungsqualitäten und großer Kampferfahrung betrachtete Newcombe es als selbstverständlich, dass die beiden Zivilisten seinem Befehl unterstanden. Aber Cam und Ruth pochten auf ihre Eigenständigkeit.
    Ruth. Cam drehte sich nach ihr um. Sie hatte sich wie ein kleines Kind zusammengerollt und an ihren Rucksack geschmiegt. Er ließ seine Blicke auf ihr ruhen.
    Sie befand sich hier alles andere als in ihrem Element. Ihre Stärke war ihr Intellekt. Aber er spürte, dass sie sich wandelte, dass sie allmählich härter und aggressiver wurde. Dass sie immer attraktiver wurde. Vor allem ihre dunklen Augen und ihr gelocktes Haar hatten es ihm angetan. Ruth war zwar nicht unbedingt eine Schönheit, aber sie wirkte schlank und fit und sehr natürlich.
    Er verstand ihre Gewissensbisse nicht. Sie trug nicht die geringste Schuld am Verlauf der Ereignisse, außerdem hatte sie Übermenschliches geleistet – und doch glaubte sie, irgendwie versagt zu haben. Noch etwas, das sie beide verband – und etwas, das sie von Newcombe unterschied. Newcombe machte immer alles richtig. Ja, ihre Machtübernahme im Labor hatte in einem Blutbad und mit dem Tod von fünf seiner Untergebenen geendet, aber Newcombe hatte jedes Mal, wenn sie auf ein Hindernis stießen, die bestmögliche Entscheidung getroffen. Ihm konnte man keinen der Fehler anlasten. Er war einfach nicht so schwer verwundet oder verkrüppelt wie sie beide. Ihr Bündnis mochte ja schwierig sein, aber es war immerhin vorhanden.
    Cam wandte sich von ihr ab, und eine braune Spinne floh über den Beton, aufgescheucht durch seine Bewegung. Er zerstampfte sie, warf dann einen Blick auf die Ruinen und die dünnen Gespinste und zwang sich mühsam zur Ruhe.
    Er hatte gelernt, Gefühle wie Hunger und Angst zu unterdrücken, aber die Sache mit Ruth war etwas anderes. Ruth strahlte Wärme und Klugheit aus, und Cam hatte solche positiven Signale zu lange entbehrt. Außerdem war ihm schmerzhaft bewusst, was sie gemeinsam erreichen konnten. Das Potenzial zur Verbesserung des Impf-Nanos, das Potenzial für neue Anwendungen wirkte zugleich atemberaubend und bedrohlich. Es stand weit mehr auf dem Spiel als lediglich sein und ihr Leben.
    Die Welt, die sie kannten, lag im Sterben. Heute war der 19. Mai, aber sie hatten bis jetzt kaum junges Grün und nicht eine einzige Blume gesehen, nicht einmal so robustes Unkraut wie Löwenzahn oder Klatschmohn. Die Grashüpfer, Ameisen und Käfer wirkten sich verheerend aus, aber viele Pflanzen schienen einfach auszusterben, weil sie nicht mehr bestäubt wurden. Offenbar gab es keine Bienen, Schmetterlinge oder Nachtfalter mehr – das war hier nicht anders als in den Bergen.
    Wenn sie Erfolg haben und die Menschen je wieder die Regionen unterhalb von 10 000 Fuß besiedeln sollten, dann stand ihnen ein langer Überlebenskampf bevor, da die Umwelt weiterhin vom Verfall bedroht war. Noch ihre Enkel und Urenkel würden gegen Insekten, sterile Wüsten und Überschwemmungen kämpfen müssen, es sei denn, sie entwickelten neue Nano-Maschinen – Maschinen für den Krieg und für den Wiederaufbau. Ruth hatte behauptet, dass die Nanotechnologie all diese Möglichkeiten durchaus besaß, und Cam merkte, dass er sie erneut betrachtete, anstatt die Umgebung zu überwachen.
    »Scheiße«, murmelte er.
    Dieses Mann-Frau-Ding spielte schon eine gewisse Rolle in ihrem Verhältnis. Zumindest ging sie etwas weiter weg, wenn sie mal musste, während Cam und Newcombe das in der Art von Jungs wesentlich lockerer handhabten. Aber es gab noch andere Andeutungen – ihre Hand in seiner, wenn sie über einen nach unten gedrückten Drahtzaun kletterte, oder ihr dankbares Nicken, wenn er eine Dose mit Pfirsichen öffnete und ihr zuerst davon anbot. Hatte er das je für Newcombe getan ? Vermutlich schon. Mehr als einmal hatte er dem Mann über ein Autowrack geholfen. Und am Abend zuvor hatte er Newcombe sogar als Erstem die Flüssigschokolade gereicht, weil Ruth noch nicht mit ihrem Büchsenschinken fertig war. Aber

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