Plasma
schien sie es darauf anzulegen, sich selbst zu verletzen. Die Nanobots vermehrten sich in ihrem Blut. Sie hatten vor vierzig Minuten die Todesgrenze überschritten. Der verbesserte Impfstoff würde den Prototyp verdrängen und sich rasch vermehren, da er als Erster die Pest-Nanos zerlegte. Gleichzeitig würde der Geister-Nano ihre Abwehrkräfte gegen die Strahlung verstärken.
Hernandez hatte beschlossen, sein Leben für sie zu opfern. Wenn Ruth genügend Zeit bekam, um in den Labors von Grand Lake den Geister-Nano zu verbessern, konnte sie dem Krieg die entscheidende Wende geben. Es schien keine Grenzen für die Kapazitäten des neuen Nanobots zu geben. Die Unterstützung der eigenen Heilkräfte war da erst der Anfang. Vielleicht ließen sich mit seiner Hilfe irgendwann die Muskelkräfte verdoppeln, die Reflexe, die Sehschärfe. Das Problem war und blieb die Kontamination. Wenn es gelang, einen solchen Booster-Nano an die eigenen Leute zu verteilen, dann würde er sich unweigerlich auch unter den Gegnern ausbreiten. Den Supersoldaten der einen Seite würden schon bald die Supersoldaten der anderen Seite gegenüberstehen. Die USA müssten also in einem einzigen, gut koordinierten Vorstoß angreifen, solange sie ihren Vorsprung hatten – falls die Zeit reichte und es noch genug Überlebende gab.
Der Morast wurde schwarz, als Estey sie in ein Gebiet führte, wo ein Wald von umgestürzten Bäumen gebrannt hatte, ehe die Schmelzfluten das Feuer löschten. Cam sah noch einen sterbenden Vogel. Dann entdeckte er eine blaue Pepsi-Dose und fragte sich, wie sie wohl an diese Stelle gelangt sein mochte.
Von irgendwo im Norden kam das lang gezogene Heulen im Schlepptau von Düsenjägern. »Runter!«, brüllte Estey. Die meisten von ihnen warfen sich in den mit Holzkohle verkrusteten Schlamm. Ruth blieb stehen und starrte zum Himmel. Foshtomi zerrte sie von hinten an der Jacke. »Runter, verdammt noch mal!«, fauchte Foshtomi, aber das Heulen war recht fern und entfernte sich noch immer weiter, bis es sich in der Dunkelheit hinter ihnen auflöste.
Als Cam sich umdrehte, sah er, wie am dunklen westlichen Horizont orangerote Stichflammen in die Höhe schossen. Gigantische Explosionen erfüllten die Täler jenseits des Sylvan Mountain. Amerikanische Kampfflugzeuge drangen auf die Chinesen ein und bereiteten den Weg für den Bodenangriff.
Hernandez hatte einige Vorteile. Dazu gehörte die Höhe. Es war eine Ironie des Schicksals. Die Colorado-Streitkräfte waren oberhalb der Todesgrenze geblieben, weil sie die Maschinenpest fürchteten, und hatten den Chinesen einen Großteil der Ebenen mit den Highways überlassen, doch nun konnten sie mit vollem Schwung von oben her auf die Feinde losstürmen. Nicht ihretwegen, dachte Cam. Sie taten das nicht nur ihretwegen, obwohl sich Hernandez wohl eher für konservative Taktiken entschieden hätte, wäre es ihm nicht vorrangig darum gegangen, Ruth zu schützen. Deshalb war sie so verstört. Wieder würden Tausende sterben, damit sie ihre Forschungen zu Ende führen konnte – auch wenn diese Entscheidung nicht sie getroffen hatte.
Sie ließen die Sümpfe hinter sich und erklommen eine Kammlinie. Hier erreichte sie endlich die Sonne. Das Licht fühlte sich warm und sauber an – bis der Wind das Hämmern von Artillerie zu ihnen herübertrug. Dann hörten sie wieder Flugzeuge. Der Kriegslärm verfolgte sie viele Meilen weit. Ruth hielt den Kopf gesenkt und humpelte, so schnell sie konnte, über Felsbrocken und versengtes Gras.
Das Knattern von Helikoptern hallte aus der flachen Mulde des Gebirgspasses vor ihnen wider. Es verstärkte sich, als drei stumpfnasige Sikorsky-Hubschrauber vom Typ Black Hawk auftauchten. Estey kniete nieder und drehte an seinem Funkgerät, während Goodrich beide Arme über dem Kopf schwenkte. Deshalb zeigte sich Cam verblüfft, als zwei der Gefechtsmaschinen abdrehten und verschwanden. Weitere Ablenkmanöver. Der dritte Helikopter kam direkt auf sie zu und brach mehrmals zur Seite aus, bevor seine Kufen den Boden berührten und der Bordingenieur die Tür öffnete.
»Vertraust du mir?«, fragte Ruth. Sie neigte sich so dicht zu Cam hinüber, dass ihre Haare seine Wange streiften. Er hörte kaum, was sie sagte. Der Krach der Rotoren ging ihm durch Mark und Bein. Die Turbinen kreischten jedes Mal, wenn der Helikopter höher ging und über das Gelände hinwegkurvte. Cam blickte mitten aus dem Lärm auf die stille Welt, die unter ihm vorbeizog. Die Berge wogten auf
Weitere Kostenlose Bücher