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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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abgetragen, die weniger beschädigten Viertel wieder bewohnbar gemacht werden. Es gab so viele verlassene Städte rund um den Globus, weit mehr, als in den nächsten Generationen genutzt werden konnten. Das hatten die Politiker vergessen. Sie lebten in ihrem Hauptquartier zu abgeschottet.
    Ruth zwang sich mit grimmiger Konzentration, etwas zu essen, obwohl sich ihr Magen noch immer wie ein Stein anfühlte und das Frühstück aus ein paar Dosen kaltem Rindfleisch mit pappigen Kartoffeln bestand. Cam schlang das Essen angeekelt in sich hinein, und Ruth wollte etwas Tröstliches sagen, doch ihr fehlten einfach die Worte. Der starke Benzingeruch beeinträchtigte ihren Geschmackssinn und bereitete ihr Kopfschmerzen, aber zumindest überdeckte er den Gestank in der Schrankecke, die sie als Toilette benutzt hatten.
    »Kann ich noch einmal einen Blick auf die Karte werfen?«, fragte sie.
    Newcombe stellte seine Dose ab und knöpfte die Sichttasche der Uniformjacke auf. Er faltete die Karte jedes Mal sofort nach Gebrauch wieder zusammen, für den Fall, dass sie plötzlich fliehen mussten. Aber seine Ordnungsliebe grenzte schon an Kontrollzwang, dachte Ruth, als sie seine langen, schmalen Züge beobachtete. Die Adlernase. Die rotblonden Augenbrauen und Bartstoppeln. Newcombe sah unter der Schmutzschicht, die sein Gesicht bedeckte, so jung aus – trotz der Ameisenbisse und der wund gescheuerten Druckstellen von Schutzbrille und Gesichtsmaske.
    Sein Schweigen missfiel ihr. Newcombe zerrte ungeduldig an der Karte, als sich eine Ecke in seiner Tasche verhakte. Ja, sie waren alle überreizt, und sie hatten ihre Möglichkeiten bereits durchgesprochen, nachdem die Flugzeuge verschwunden waren, aber sie konnten es sich nun mal nicht leisten, die falsche Entscheidung zu treffen.
    Sie hatten die Absicht, zurück zum Pick-up zu sprinten und sich so schnell wie möglich von dem Nano-Herd zu entfernen. Der Bootsanhänger war bereits festgemacht, und da Newcombe die Zündung kurzgeschlossen hatte, genügte es, zwei Drähte aneinanderzudrücken, um den Wagen zu starten. Obwohl die Batterie vierzehn Monate außer Betrieb gewesen war, besaß sie noch genug Saft, um den Motor anzuleiern. Danach würden sie etwa eine Stunde fahren müssen, um sie wieder aufzuladen. Amerikanische Qualitätsarbeit, hatte Newcombe mit sonderbar weicher Stimme gemurmelt und eine Hand auf die hohe, breite Motorhaube des Pick-ups gelegt. Vielleicht war das nur so dahingesagt, aber Ruth glaubte, dass er den gleichen wehmütigen Stolz empfunden hatte, der auch sie überkam, wenn sie sich in diesem unaufgeräumten Kinderzimmer umschaute. Sie war froh darüber. Selbst dieser harte Elitesoldat besaß irgendwo einen weichen Kern.
    Newcombe war zuversichtlich, dass der Pick-up wieder anspringen würde, und der starke Bootsmotor hatte sich sofort starten lassen. Die Frage war nur, wie sie weitermachen sollten.
    The Chair Is Against The Wall. Dieser merkwürdige Satz hatte das Gleichgewicht zwischen ihnen verschoben und alles verändert. Es war fast, als befänden sich plötzlich Fremde unter ihnen, und das zu einem Zeitpunkt, da sie sich eben mit dem Gedanken vertraut gemacht hatte, dass sie ganz auf sich gestellt waren. Für Ruth war es mittlerweile selbstverständlich, dass sie Newcombe notfalls überstimmen konnte. Cam hatte sie immer unterstützt. Doch nun zeigte sich Newcombes wahre Macht, und Ruth befürchtete, dass Cam ins Wanken geriet.
    Der Funkcode stand für einen Treffpunkt. Obwohl das Pestjahr die Erde ins Chaos gestürzt hatte, lebten sie immer noch im 21. Jahrhundert. Die Kanadier hatten ihre eigenen Späher am Himmel. Und die Rebellen kontrollierten drei amerikanische Satelliten. Der vermehrte Funk- und Flugverkehr konnte Leadville nicht verborgen bleiben, insbesondere jetzt nicht, da die Welt so leer war. Selbst wenn die Kanadier den Rebellen keine Hilfe angeboten und sich nicht an der Verschwörung beteiligt hätten, musste dem Gegner doch klar sein, dass etwas Großes im Gange war.
    Newcombes Trupp war mit nicht weniger als acht Alternativplänen nach Sacramento gegangen; allein fünf davon führten zu offenen Straßenabschnitten, wo ein Flugzeug landen konnte, und Ruth zweifelte nicht daran, dass diese Männer, auf sich allein gestellt, längst einen dieser Treffpunkte erreicht haben konnten, selbst wenn sie mit Druckanzügen unterwegs waren und zusätzliche Lufttanks mitschleppten.
    Die Kanadier planten, von British Columbia aus nach Süden zu fliegen

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