Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
Vom Netzwerk:
irgendwo aufzuklauben. Klar?«
    »Jawohl, Sir!«
    »Die Scheißstange hat sich in meine Hand gebohrt«, stöhnte Kotowych.
    Susan Tunis hob ihre Brechstange wie einen Knüppel. »Sie können nicht verlangen, dass wir so weiterschuften«, sagte sie. Die Stange zitterte im Rhythmus ihrer kurzen, keuchenden Atemzüge.
    Hernandez, der neben Kotowych kniete, schaute zu ihr auf, ohne sich zu bewegen. »Warum helfen Sie mir nicht?«, fragte er ruhig.
    »Wir sollten Dynamit einsetzen, anstatt hier rumzubuddeln !«, fuhr Tunis fort.
    Hernandez schaute die anderen um Unterstützung heischend an, aber von seinen eigenen Leuten war niemand dabei, und die Soldaten dieses Trupps kannte er kaum. Sein Stellenplan war ein einziges Chaos. Es gab keine Führungsoffiziere – er verfügte, von der eigenen Position mal abgesehen, nur über drei Sergeants und einen Corporal –, und er wollte mindestens sechs der fähigsten Leute zu Stabsoffizieren befördern.
    Schon deshalb konnte er die Insubordination nicht übergehen. Er entfernte sich einen Schritt von Kotowych, ohne den Blick von Tunis abzuwenden. »Stillgestanden, Marine!«
    Ihr Gesicht war blass vor Anspannung.
    »Helfen Sie mir bitte!« Hernandez war sorgsam darauf bedacht, seine Worte nicht als Befehl zu formulieren, damit er ihren Gehorsam nicht erzwingen musste, falls sie Nein sagte. Also versuchte er sie abzulenken. Er streifte die Jacke ab und zog eines seiner Hemden aus. Glasiges rotes Eis bedeckte Kotowychs Faust, und die Wunde hatte fast zu bluten aufgehört. Dennoch war es wichtig, einen Druckverband anzulegen, damit keine innere Blutung entstand.
    Hernandez schlüpfte wieder in seine Jacke, ehe er die Finger und das Handgelenk des Verletzten abtastete. Es war nichts gebrochen, aber die Wunde sah schrecklich aus. Mit einem Messer schnitt Hernandez sein Hemd in drei Streifen. Einen davon faltete er zu einem Kissen, das er Kotowych in die Handfläche drückte. Die beiden anderen wickelte er so straff wie möglich um die Kompresse.
    »Das muss fürs Erste reichen«, sagte er. »Können Sie gehen? Wir bringen Sie den Berg hinunter.«
    Kotowych biss die Zähne zusammen. »Jawohl, Sir.«
    Tunis klang wie ein schwaches Echo ihres verletzten Kameraden. »Jawohl, Sir«, murmelte sie. »Tut mir leid, Sir. Wir waren – ich meine, ich ...«
    »Sie waren aufgeregt«, half ihr Hernandez aus der Klemme. Tunis nickte. Er ließ sie noch ein paar Sekunden unter seinem Blick schmoren, ehe er sich von ihr abwandte. »Alle anderen gehen wieder an die Arbeit«, rief er. »Aber passt um Himmels willen auf, was ihr anfasst!«
    Die Männer zögerten. Hernandez hätte sie um ein Haar angefaucht, aber er verbarg seinen Frust – und kam zugleich zu der Entscheidung, Tunis vom Rest des Trupps abzusondern. Die Frau konnte noch für Ärger sorgen.
    »Stützen Sie ihn von der anderen Seite«, sagte er.
    Sie nahmen Kotowych in ihre Mitte und führten ihn die Schlucht hinab in ein ödes Geröllfeld, wo nichts außer Moospolstern, harten Grasbüscheln und ein paar winzigen Blumen gedieh. Dunkle Flechtenteppiche bedeckten die fahlen Felsen. Überall Felsen. Felsen und Schnee. Es gab Kuhlen, in denen der Schnee nie vollständig schmolz.
    Hier oben war die Luft frostig und dünn. Die Überlebenden, die den Bedingungen in der Gipfelregion nicht zum Opfer gefallen waren, hatten sich akklimatisiert – aber schon die Bevölkerung von Leadville klagte häufig über Kopfschmerzen und Übelkeit, obwohl die Hauptstadt in einem Bereich von knapp 10000 Fuß Höhe lag. Gut eine halbe Meile höher musste man bei jeder körperlichen Anstrengung schnell und keuchend atmen, um genügend Sauerstoff aufzunehmen. Das wiederum bewirkte, dass sich die Luft im Nasenraum kaum erwärmen konnte. Es war nicht viel nötig, um die Lungen anzugreifen, und die Körpertemperatur sank ab, bevor man es richtig merkte. Dazu kam Angst, ein bekannter Nebeneffekt der Hypoxie. Wenn das Gehirn nicht genügend Sauerstoff erhielt, löste es Panikreize aus – nicht gerade eine Hilfe für Leute, die ohnehin unter starkem Stress standen. In vierzehn Monaten hatte Hernandez eine Menge Opfer der Höhenlagen nach Leadville zurückkehren sehen. Sie konnten nie mehr auf dem Berg eingesetzt werden.
    Die Gipfel waren totes, uraltes Gestein, niemals für einen längeren Aufenthalt von Menschen gedacht. Wind und Wetter hatten die orangegrauen Felsen glatt geschliffen, gebrochen und wieder glatt geschliffen. Das Gleiche konnte in sehr viel kürzerer Zeit

Weitere Kostenlose Bücher