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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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mit den Lebewesen geschehen, die hier heraufkamen. Hernandez hatte den Befehl erteilt, nur in den wenigen Stunden um die Mittagszeit zu graben und zu schaufeln, und zwar immer in gestaffelten Schichten. Niemand arbeitete täglich, ganz gleich, wie sehr der Auftrag auch drängte. Sein Kommando hatte diesen Hang erst vor achtundvierzig Stunden erreicht, aber schon gab es drei Ausfälle, plus Kotowych, und es ergab wenig Sinn, hervorragende Angriffsstellungen zu buddeln, wenn keiner sie besetzen konnte.
    Das gilt auch für dich, dachte er. Er spürte seinen Rücken, seine Hände und die Schienbeine schmerzten. Frank Hernandez war erst knapp vierzig Jahre alt, aber die Kälte führte bei fast allen zu Arthritis.
    Er hielt es für seine Pflicht, mehr als seinen Anteil an der Knochenarbeit zu übernehmen, anstatt sich zurückzulehnen und die fiesen Jobs anderen aufs Auge zu drücken. Das hätte der Kampfmoral geschadet. Zu viele seiner Marines kannten einander kaum. Man hatte sie aus den Überresten von fünf Zügen zusammengewürfelt, und es gab eine Menge Ängste und Gerüchte.
    »Gleich haben wir es geschafft«, sagte er zu Kotowych.
    Ihre Schritte verhallten in der klaren, klirrend kalten Luft. Hernandez hielt die Blicke starr auf den Untergrund gerichtet, aber die Bergflanke fiel so schroff ab, dass er das dramatische Auf und Ab des Horizonts gar nicht übersehen konnte, das Zusammenprallen von dunklen Gipfeln, Schneefeldern und weit offenen Räumen. Es lenkte ihn ab. Keuchend spähte Hernandez nach Westen. Natürlich waren dort auch nur Berge zu sehen, aber er stellte sich vor, über die Becken von Utah und Nevada hinweg die großen Küstenstädte erblicken zu können, wo von einer Minute zur anderen alles für ihn schiefgelaufen war.
    Gezwungenermaßen war der amerikanische Bürgerkrieg vor allem ein Luftkrieg. Der Ausgang der erbitterten Kämpfe um den Besitz und die Plünderung der alten Großstädte in der Todeszone hing von der Unterstützung durch Helikopter und sonstige Flugzeuge ab. Infanterie und Panzer konnten die verseuchten Gebiete nur in Transportmaschinen überqueren. Dennoch war der Befehl, dieses Stück Land zu verteidigen, ein primitiver Frontjob – unwürdig eines Mannes, der noch vor einer Woche als Sicherheitschef der Nanotech-Labors von Leadville und Verbindungsoffizier zwischen Forschern und höchsten Regierungskreisen gedient hatte. Hernandez war dazu ernannt worden, die Wissenschaftler nach Sacramento zu eskortieren, weil man ihm vertraute. Ein Vertrauen, das mehr wert war als Essen oder Munition. Und jetzt hatten sie ihn an die Front verbannt. Der Teufel sollte ihn holen, wenn er das verstand.
    Ihre Mission war doch kein völliger Fehlschlag gewesen. Sie hatten ganze Stapel von Computern, technischem Gerät und schriftlichen Unterlagen nach Leadville mitgebracht. Die Verschwörung selbst hatte man ebenfalls niedergeschlagen und zehn der insgesamt fünfzehn Verräter zur Rechenschaft gezogen – sechs waren tot, vier verhaftet. Aber hinter dem Verrat verbargen sich die eigentlichen Probleme.
    Wem konnte man noch vertrauen ? Die Rebellion war bis in die innersten Zirkel von Leadville vorgedrungen, obwohl das niemand so plump zum Ausdruck gebracht hatte. Doch Hernandez hatte den Zweifel in ihren Augen gesehen. Die Tatsache, dass man ihn weder zu einem Rapport bei General Schraeder noch zu einem Treffen mit einem der Regierungschefs gebeten hatte, sprach ebenfalls Bände. Die Führungskräfte hatten sich von ihm distanziert. Sie konnten seine Beteiligung an dem Komplott nicht völlig ausschließen. Seine Freundschaft mit James Hollister war allgemein bekannt. Als Leiter der Labors war James maßgeblich am Austausch der Wissenschaftler für die Mission in Sacramento beteiligt gewesen. Schlimmer noch, den Marines unter Hernandez war es nicht gelungen, die Machtübernahme durch die Eliteeinheit zu verhindern.
    Auch von den Leuten an der Spitze hatte niemand den Verrat vorhergesehen. Aber das spielte keine Rolle. Hernandez war der Mann vor Ort gewesen, und hätte er den Impf-Nano an sich gebracht, so wäre es wohl kaum zu den neuen Rebellen-Offensiven gegen Leadville gekommen.
    Hernandez war der Dreh- und Angelpunkt gewesen. Die knappen Reserven erlaubten es allerdings nicht, dass man einen Offizier ausmusterte, insbesondere nicht jetzt, da der Krieg zu eskalieren drohte. Diese Ironie machte ihn wütend. Die Kämpfe hatten ihn gerettet. Es gab keinen Prozess vor dem Kriegsgericht. Es gab nicht

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