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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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entfacht, aber keiner von ihnen wusste, wie sie das ihren Eltern beibringen sollten. Ari. Sie hatte lange nicht mehr an ihn gedacht, und doch begriff sie, warum sein Bild gerade jetzt in ihr lebendig wurde. Die verfahrene Geschichte zwischen ihr, Cam und Newcombe weckte ein ähnliches Gefühl der Hilflosigkeit. Ihr waren die Hände gebunden.
    Eine von Anfang an angespannte Situation hatte sich durch ihr Verhalten noch verschlechtert. Misstrauen quälte sie, auch nachts, wenn sie eigentlich schlafen und neue Kraft schöpfen sollten. Keiner von ihnen hatte sich gut erholt, trotz der Pillen, die sie einnahmen, und der Schlafentzug entwickelte sich zu einer zunehmenden Gefahr. Er ließ sie stumpf werden. Er machte sie paranoid. Aber sie mussten weiterhin zusammenarbeiten. Es gab keinen anderen Ausweg.
    Sie waren enger aneinander gebunden, als das bei ihr und Ari jemals der Fall gewesen war, und obwohl sie verzweifelt nach einer Lösung suchte, bewegten sich ihre Gedanken immer nur im Kreis. Die beiden Männer starrten an ihr vorbei und beobachteten misstrauisch die Insektenwolke in der Ferne. Ruth nickte kurz und richtete sich mühsam auf. Die Nägel in ihren Schläfen pochten.
    Ihr Verhältnis war in der Tat untragbar. Ruth akzeptierte, dass sie ebenso die Schuld daran traf wie die beiden anderen. Sie hätte sich Newcombe ganz einfach fügen können, anstatt Cam zum Widerspruch zu ermutigen. Sie hätte zulassen sollen, dass Cam allein nach Osten ging, während sie sich den Kanadiern anvertraute und sich mit Newcombe an Bord einer Rebellen-Maschine begab.
    Mittlerweile waren sie weit vom vereinbarten Treffpunkt entfernt. Die Außenbezirke von Sacramento lagen Meilen hinter ihnen. Das Gleiche galt für Rocklin. Sie hatten sogar schon in Erwägung gezogen, den Highway zu verlassen und über die braun verdorrten Eichen- und Graslandhügel zu wandern. Cam glaubte, dass sie abseits der Straße schneller vorankämen, wenngleich es ihnen schwerer fallen würde, unterwegs Nahrung zu finden. Newcombe und Cam versicherten, dass sie Proviant für mehrere Mahlzeiten tragen konnten, aber jeder von ihnen benötigte mindestens zwei Liter Wasser täglich. Dazu kämen mehrere mit Benzin gefüllte Feldflaschen, da sie keine Ahnung hatten, wie schlimm die Insektenplage im offenen Gelände sein mochte. Weniger schlimm? Oder schlimmer?
    Es gab noch mehr Fragezeichen. Ruth war sich überhaupt nicht im Klaren darüber, was sie für Cam empfand. Sie konnte nicht umhin, dankbar und beeindruckt zu sein. Sie schuldete der Tatsache, dass er unter schwierigsten Umständen die richtigen Entscheidungen getroffen hatte, ihr Leben, ihre Freiheit und einen großen Teil ihres bisherigen Erfolgs. Sie wollte ihn nicht verletzen. Sie spürte echte Zuneigung und Loyalität, aber sie war auch auf der Hut. In seiner Beschützer-Haltung lag etwas Besitzergreifendes, und das bereitete Ruth Sorgen. Außerdem beunruhigte es sie, wie schnell er gegen Newcombe Partei ergriffen hatte. Sie hatte geglaubt, er würde die Angelegenheit mit ihr diskutieren, aber stattdessen schien ihm der Gedanke des Verrats keine Probleme zu bereiten. Wieder fragte sie sich, was er wohl durchgemacht hatte, oben auf dem Gipfelgelände, wo die Devise Überleben um jeden Preis geheißen hatte.
    Vielleicht hatte er nur ihretwegen zugestimmt. Er war offensichtlich in sie verknallt – nicht weil sie so toll war, dachte sie, sondern einfach, weil sie da war, weil er sich so sehr danach sehnte, akzeptiert zu werden, als normal und unversehrt zu gelten.
    Es war nur zu menschlich, sich mit dem Menschen zusammenzutun, der eben gerade zur Verfügung stand. Angst und Schmerzen verstärkten diesen Instinkt noch. Ihr Dilemma erinnerte sie an Nikola Ulinow. Als Kommandant der ISS hatte sich Ulinow bemüht, Abstand zu ihr zu halten, obwohl sie Blicke tauschten oder einander berührten, wenn sie sich wieder mal in Ruths Labor zankten oder in der Schwerelosigkeit der Korridore und Wohnmodule begegneten.
    Ihre Zeit mit Ulinow war im Vergleich mit dem Hier und Jetzt einfach gewesen. Einen körperlichen Kontakt konnte sich Ruth ohnehin nicht vorstellen. Nach so vielen Tagen unterwegs war sie vollkommen dreckverkrustet ... und sie und Cam waren beide verletzt... und vermutlich hatten die Pest-Nanos nicht nur seine Gesichtszüge entstellt. Außerdem war er noch ein halbes Kind, fünfundzwanzig vielleicht, während sie auf die Siebenunddreißig zuging.
    Cam hatte nichts gesagt. Sie glaubte auch nicht, dass er

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